Siebzehnter Artikel. Vier Arten Gebet giebt es: Beschwören, Beten, Fordern, Danken.
a) Dies ist unzulässig. Denn: I. Origenes (35. in Matth.) sagt: „Wer nach dem Evangelium leben will, der soll nicht den anderen beschwören; denn Schwören ist überhaupt unerlaubt.“ II. Damascenus schreibt: „Das Gebet ist ein Flehen vor Gott um das Heilsame.“ Also soll man nicht als Teile des Gebetes hinstellen: „Beten“ und „Fordern“. III. Danksagen erstreckt sich auf das Vergangene; die übrigen erwähnten Arten oder Teile des Gebetes aber gehen auf die Zukunft. Also muß das Danksagen nicht an letzter Stelle kommen. Auf der anderen Seite steht der Apostel 1. Tim. 2.
b) Ich antworte, zum Gebete gehöre dreierlei: 1. muß der betende zu Gott herantreten, um zu Ihm zu beten; und das bezeichnet das „Beten“ als Erhebung des Geistes zu Gott. — Es muß 2. ein Wunsch vorhanden sein; und das ist das „Fordern“; sei es daß der Wunsch in bestimmter Weise vorgetragen wird, was einige „Fordern“ nennen, sei es daß jemand in unbestimmter Weise betet, von Gott unterstützt zu werden, was sie als „Flehen“ bezeichnen, sei es daß bloß eine Thatsache erzählt wird, wie Joh. 11.: „Siehe der den du liebst, ist krank,“ was sie „Vorstellen“ nennen. — Es muß 3. ein Grund bestehen, um zu erreichen das, worum man bittet; und zwar von seiten Gottes ist dies seine Heiligkeit, nach Dan. 9.: „Um Deiner selbst willen neige, mein Gott, Dein Ohr;“ und das ist „Beschwören“; wie wenn wir z. B. sagen: „Durch Deine Geburt oder bei Deiner Geburt befreie uns o Herr,“ — von seiten des betenden aber bildet den Grund für die Erreichung dessen, was man erbittet, die bereits empfangene Wohlthat, wie wir in der Kollekte beten, daß wir danksagend für die empfangenen Wohlthaten größere verdienen; und dafür steht das „Danksagen“. Deshalb fagt die Glosse zu 1. Tim. 2.: „In der Messe ist das Beschwören vor der Konsekration,“ worin nämlich vieles Heilige aus de Schrift etc. erwähnt wird; „das Beten ist in der Konsekration selbst,“ wo nämlich der Mensch im höchsten Grade zu Gott herantritt; „das Fordern ist in den folgenden Bitten enthalten, das Danksagen steht am Ende. In vielen Kirchengebeten können wir die nämlichen vier Teile bemerken, z. B. „Allmächtiger, ewiger Gott,“ das gehört zum Aufsteigen des Geistes z Gott, also zum Beten; — „der Du Deinen Dienern gegeben hast;“ da gehört zum Danksagen; — „verleihe, wir bitten Dich;“ das ist Fordern — und „durch unseren Herrn etc.;“ das ist Beschwören. In den Kollationen der Väter aber wird so unterschieden (collat. 9.): „Beschwören ist Flehen um die Verzeihung der Sünden; Beten, wenn wir Gott etwa geloben; Fordern, wenn wir für andere bitten; Danksagen, wenn sich unsagbar erhoben der Geist alles Empfangene Gott darbringt.“ Da Erste aber ist besser.
c) I. „Beschwören“ heißt hier nicht „antreiben oder zwingen zu etwas“ sondern flößt Vertrauen ein in die Barmherzigkeit Gottes. II. Das Gebet im allgemeinen schließt alles Dieses ein; aber unterschieden vom Danksagen etc. ist es im engeren Sinne das Herantreten zu Gott. III. Wenn von verschiedenen Dingen gehandelt wird, ist jenes, das vergangen ist, früher als das, was noch kommt. Ein und dasselbe aber ist zuerst zukünftig und dann vergangen. Und sonach geht das Danksagen für Wohlthaten voran dem Beten um andere; aber rücksichtlich ein und derselben wird eine Wohlthat als zukünftige erbeten und erst wenn sie gewährt worden, also zuletzt, wird gedankt. Dem Fordern jedoch geht das Beten voraus, das Hinantreten nämlich zu Gott; und dem Beten das Beschwören, nämlich die Anerkennung der Größe Gottes.
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