18. Dasselbe gilt auch von Tertullian.
[24] Ebenso ist es mit Tertullian. Denn wie jener bei den Griechen, so darf dieser bei den Lateinern unbedenklich für den ersten von uns allen gehalten werden. Denn wer war gelehrter, wer gewandter in göttlichen und menschlichen Dingen als dieser Mann? Umspannte er doch mit wunderbarer Fassungskraft des Geistes die ganze Philosophie und alle philosophischen Schulen, die Gründer und Anhänger der Schulen und alle ihre Systeme, die ganze Mannigfaltigkeit der geschichtlichen Ereignisse und der wissenschaftlichen Forschungen. Hat er sich nicht durch einen so tiefen und gewaltigen Geist ausgezeichnet, daß er fast nichts zu bekämpfen unternahm, das er nicht mit seinem Scharfsinn durchschaute oder mit seinem Gewichte zermalmte? Wer vermöchte ferner seine Redekunst genügend zu preisen, die durch eine solche, fast unwiderstehliche Macht der Gründe wirkt, daß sie zur Zustimmung auch die nötigt, die ihm nicht glauben wollen? Bei ihm sind fast so viele Gedanken als Worte, so viele Siege als Sätze. Das wissen Marcion, Apelles, Praxeas, Hermogenes1 , Juden, Heiden, Gnostiker und andere, deren Gotteslästerungen er durch die Wucht seiner zahlreichen und umfassenden Schriften wie mit Blitzschlägen vernichtete. Und doch hat auch er, dieser Tertullian, sage ich, nach all diesem am katholischen, d. h. allgemeinen und alten, Glauben zu wenig festgehalten und mehr beredt als treu2 , da er in der Folge seine Gesinnung änderte, er hat, sage ich, zuletzt das getan, was von ihm der selige Bekenner Hilarius an S. 199einer Stelle3 schreibt: Durch die spätere Verirrung hat er seinen bewährten Schriften das Ansehen entzogen. Auch er ist in der Kirche eine große Versuchung geworden. Doch mehr will ich über ihn nicht sagen; nur das möchte ich noch erwähnen, daß er entgegen der Vorschrift des Moses den eben erst in der Kirche auftauchenden neuen Wahnwitz des Montanus und seine tollen, von verrückten Weibern4 vorgebrachten Träumereien der neuen Lehre als wahre Prophezeiungen verfocht und es so verdiente, daß auch von ihm und seinen Schriften das Wort gilt: Wenn in deiner Mitte ein Prophet aufsteht, und dann: sollst du nicht auf die Worte jenes Propheten hören; warum? weil, so heißt es, der Herr euer Gott euch versucht, ob ihr ihn liebt oder nicht.
