6. Vorbildliches Verhalten des Papstes Stephan in der Angelegenheit der Ketzertaufe.
Herrlich also ist dieses Beispiel jener genannten Seligen; es ist wirklich göttlich und von allen wahren Katholiken in unermüdlicher Betrachtung zu beherzigen, da sie, nach Art des siebenarmigen Leuchters im siebenfachen Lichte des Heiligen Geistes strahlend, den Späteren das schönste Beispiel gaben, wie man in der Folge bei dem jedesmaligen Gefasel des Irrtums durch das Ansehen des geheiligten Altertums die Frechheit gottloser Neuerung zunichte machen soll. [9] Das ist freilich nicht neu; denn immerdar herrschte in der Kirche der Brauch, daß jemand, je gottesfürchtiger er war, sich desto rascher den neuen Erfindungen widersetzte.
Von solchen Beispielen ist alles voll. Um Zeit zu sparen, wollen wir ein beliebiges Beispiel und dieses gerade vom Apostolischen Stuhle nehmen, damit alle sonnenklar sehen, mit welcher Kraft, mit welchem Eifer und mit welcher Anstrengung die seligen Nachfolger der seligen Apostel allezeit die Reinheit des einmal S. 171angenommenen Glaubens verteidigt haben. Vor langer Zeit also behauptete Bischof Agrippin von Karthago ehrwürdigen Angedenkens zuerst von allen Sterblichen entgegen der Hl. Schrift, entgegen der Lehre der Gesamtkirche, auch gegen die Ansicht aller Mitbischöfe und gegen den Brauch und die Verordnungen der Vorfahren die Notwendigkeit der Wiedertaufe1 . Diese falsche Meinung gab nicht nur allen Häretikern ein Beispiel der Glaubensverletzung, sondern auch einigen Katholiken2 Gelegenheit zum Irrtum. Als sich nun von allen Seiten gegen die Neuheit der Sache allgemeiner Widerspruch erhob und alle Priester allerorten je nach dem Maße ihres Eifers dagegen auftraten, da hat Papst Stephan seligen Andenkens, der Inhaber des Apostolischen Stuhles, zwar gemeinsam mit seinen übrigen Amtsgenossen, aber doch den anderen voran seine Stimme erhoben, da er es, wie ich glaube, für angemessen hielt, alle übrigen ebenso sehr an Hingabe für den Glauben zu übertreffen, als er sie an Ansehen seines bischöflichen Sitzes überragte. Er hat dann in dem Schreiben, das damals nach Afrika gesandt wurde, folgende Verordnung getroffen: Nichts Neues ist einzuführen gegenüber dem, was überliefert ist3 . Der heilige und kluge Mann erkannte nämlich, daß die Frömmigkeit nichts anderes gestatte, als daß alles mit derselben Treue den Kindern übermittelt werde, mit der wir es von den Vätern empfangen haben; daß ferner wir die Religion nicht dahin führen, wohin wir wollen, S. 172sondern ihr vielmehr zu folgen haben, wohin sie uns führt; daß es endlich das Eigentümliche der christlichen Bescheidenheit und Bedachtsamkeit ist, nicht das Eigene den Nachkommen zu überliefern, sondern das von den Vorfahren Empfangene zu bewahren. Was war nun damals der Ausgang der ganzen Angelegenheit? Kein anderer als der gewohnte und bekannte: man behielt das Alte und verwarf die Neuerung.
[10]Aber vielleicht fehlte es damals der neuen Erfindung an Verteidigung? Im Gegenteil; solche Geisteskraft stand ihr zur Seite, solche Ströme von Beredsamkeit, eine so große Zahl von Verteidigern, solche Wahrscheinlichkeit und so gewichtige Aussprüche des göttlichen Gesetzes — die aber in völlig neuer und falscher Weise verstanden wurden —, daß jene ganze Verschwörung meines Erachtens nicht hätte vernichtet werden können, wenn nicht der Gegenstand eines so großen Unterfangens selbst, jenes neue Bekenntnis, das angenommen, verteidigt und gerühmt worden war, sie im Stiche gelassen hätte4 . Was war der Schluß, welche die Wirkungen des afrikanischen Konzils5 oder seines Beschlusses? Mit Hilfe Gottes keine, sondern alles wurde wie ein Phantasiegebilde, wie nutzlose Spielereibeseitigt, verworfen und niedergeschlagen6 .
[11] Und o wunderbarer Wechsel der Dinge! Die Urheber der genannten Meinung werden für katholisch, ihre späteren Anhänger aber für häretisch erklärt; losgesprochen werden die Lehrer, die Schüler aber verurteilt; die Verfasser der Schriften werden Kinder des Reiches sein, ihre Verteidiger aber wird die Hölle aufnehmen. Denn wer wäre so töricht, daran zu zweifeln, S. 173daß jenes Licht aller heiligen Bischöfe und Märtyrer, der selige Cyprian7 , mit seinen übrigen Amtsgenossen in Ewigkeit bei Christus herrschen wird? Und wer wäre im Gegenteil so verrucht zu leugnen, daß die Donatisten und die übrigen Unglücksmenschen, die sich rühmen, auf die Autorität jenes Konzils hin wiederzutaufen, in Ewigkeit mit dem Teufel brennen werden?
Gemeint ist die Wiedertaufe derer, die, von Ketzern getauft, zur katholischen Kirche zurückkehren. Sie wurde verlangt von einer Synode afrikanischer Bischöfe, die um 220 unter Leitung Agrippins gehalten wurde [vgl. Cypr. ep. 71, 1 und 73, 3], und um 230 von den kleinasiatischen Synoden zu Ikomum und Synnada [Eus. h.e. VII 7 und Cypr. ep. 75, 7]. ↩
d. h. den Bischöfen in Kleinasien und Nordafrika. ↩
Das Schreiben, das im Jahre 256 erlassen wurde, ist verloren gegangen; doch teilt der hl. Cyprian aus demselben folgende Stelle mit: „Wenn welche von irgendeiner Häresie zu euch kommen, so soll nichts Neues eingeführt werden gegenüber dem, was überliefert ist, es soll ihnen nämlich nur die Hand aufgelegt werden zur Buße" [ep. 74, 1]. ↩
Das heißt: Die Faulheit der Sache selbst war schuld daran, daß sie trotz der Macht ihrer Anhänger keinen Bestand hatte. ↩
Unter dem Vorsitze des hl. Cyprian wurden in Afrika in betreff der Ketzertaufe drei Synoden gehalten, die erste im Jahre 255, die zweite im Frühling, die dritte im Herbst 256; von dieser dritten Synode, auf der sich alle 87 anwesenden Bischöfe für Cyprian erklärten, ist hier die Rede. ↩
Der Beschluß jener afrikanischen Synoden über die Ungültigkeit der Ketzertaufe wurde durch den 8. Kanon des Konzils zu Arles 314 verworfen. ↩
Er erlitt 258 den Martertod. ↩
