5. Auch der hl. Ambrosius mahnt zum Festhalten an den Vorschriften der Alten.
[7] Aber vielleicht erdichten wir dies aus Haß gegen das Neue und aus Liebe zum Alten? Wer das meint, möge wenigstens dem hl. Ambrosius glauben, der in seinem zweiten Buche an den Kaiser Gratian die Bitterkeit der Zeit also beweint1 : Aber schon hinlänglich, sagt er, haben wir, allmächtiger Gott, durch unser Verderben und mit unserem Blute die Hinschlachtung der Bekenner, die Verbannung der Priester und das Unrecht einer so großen Gottlosigkeit gebüßt; hinreichend ist klar geworden, daß die, welche den Glauben verletzt haben, nicht sicher sein können. Sodann im dritten S. 169Buche desselben Werkes2 : Wir wollen, sagt er, also festhalten die Weisungen der Alten und die uns überkommenen Siegel nicht in roher Waghalsigkeit verletzen. Jenes versiegelte Buch wagten weder Älteste noch Mächte noch Engel noch Erzengel zu öffnen; Christo allein ist das Vorrecht, es zu entfalten, vorbehalten3 . Wer von uns sollte wagen, von dem priesterlichen Buche, das von den Bekennern und schon durch den Martertod vieler gesiegelt ist, die Siegel abzureißen? Die gezwungen wurden es zu entsiegeln, haben es doch später durch Verurteilung ihrer Verführung wiedergesiegelt4 ; die es zu verletzen nicht wagten, wurden Bekenner und Märtyrer. Wie könnten wir deren Glauben verleugnen, deren Sieg wir preisen? Ja wir preisen ihn, o ehrwürdiger Ambrosius, loben und bewundern ihn. Denn wer ist so töricht, daß er, wenn er sie auch nicht erreichen kann, denen nicht zu folgen wünschen sollte, die von der Verteidigung des Glaubens der Vorfahren keine Gewalt abbrachte, keine Drohungen noch Schmeicheleien, nicht Leben noch Tod, nicht Palast noch Trabanten, nicht der Kaiser noch die Kaisermacht, nicht Menschen noch Teufel? Sie hielt wegen ihres Festhaltens am frommen Altertum der Herr solcher Auszeichnung für würdig, daß er durch sie5 die verfallenen Kirchen wiederherstellte, die geistig erstorbenen Völker wiederbelebte, die abgenommenen Kronen der Priester wiederaufsetzte, jene ruchlosen Schriften oder vielmehr Schmierereien der neuen Gottlosigkeit durch einen vom Himmel den Bischöfen gesandten Strom treuer Tränen vertilgte, endlich fast die ganze Welt, die durch den heftigen Sturm der plötzlich auftauchenden Irrlehre erschüttert war, vom neuen Unglauben zum alten Glauben, von der S. 170Torheit der Neuheit zur alten Gesundheit, von der Blindheit der Neuheit zum alten Lichte zurückführte.
[8] Aber bei dieser sozusagen göttlichen Kraft der Bekenner müssen wir auch jenes besonders bedenken, daß damals von ihnen bei der Verteidigung des kirchlichen Altertums nicht irgendein Teil, sondern die Gesamtheit ins Auge gefaßt wurde. Denn es war nicht recht, daß so große und so heilige Männer die schwankenden und einander widersprechenden Meinungen eines oder zweier Menschen so eifrig verfochten oder für die verwegene Abmachung irgendeiner kleinen Provinz stritten; sie folgten vielmehr den Beschlüssen und Bestimmungen aller Priester der heiligen Kirche, der Erben der apostolischen und katholischen Wahrheit, und wollten lieber ihre eigene Person als den Glauben der Allgemeinheit des Altertums preisgeben. Daher gelangten sie auch verdienterweise zu solchem Ruhme, daß sie mit Fug und Recht nicht nur als Bekenner, sondern auch als die ersten der Bekenner angesehen werden.
Gemeint sind die fünf Bücher De fide, die der hl. Ambrosius dem Kaiser Gratian widmete; die hier genannte Stelle steht De fide II 16, 141. ↩
A.a.O. III 15, 128. ↩
Off. 5, 1ff. ↩
mbrosius meint die Synode zu Rimini in Italien im Jahre 359, auf der die meisten Bischöfe dem Drucke des Kaisers Konstantins nachgaben und ein halbarianisches Glaubensbekenntnis unterzeichneten; sie nahmen unter Führung des hl. Hilarius auf der Synode zu Paris 361 ihre Unterschrift zurück. ↩
Gemeint sind besonders die hl. Athanasius und Hilarius. ↩
