16. Mit welchem falschen Zeugniß sich Jene zu decken suchen, die sich ihres Vermögens nicht entledigen wollen.
Solche Leute nun wagen es, ihre ehemalige Habsucht bei irgend einer Veranlassung wieder in sich aufzunehmen und gar durch das Ansehen der heiligen Schrift zu stützen. Vermittelst einer durchaus fehlerhaften Auslegung sind sie bedacht, das Wort des Apostels, ja des Herrn zu fälschen und nach ihren Gelüsten zu entstellen. Denn nicht ihren Lebenswandel und ihre Einsicht richten sie nach der S. 163 heiligen Schrift, sondern umgekehrt thun sie, wie es ihre Leidenschaft erfordert, den Schriften Gewalt an und wollen, daß dieselben mit ihren Meinungen übereinstimmen, und behaupten, es sei geschrieben:1 „Glückseliger ist es zu geben als zu nehmen.“ Durch diese ganz gottlose Auslegung glauben sie das Wort des Herrn entkräftet zu haben, worin gesagt wird: „Wenn du vollkommen sein willst, so gehe hin und verkaufe Alles, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben. Dann komme, und folge mir nach!“2 Sie glauben, wegen dieses vermeintlichen Zeugnisses dürften sie nicht allen ihren Reichthümern entsagen, da sie ja sich selbst für glückseliger halten, wenn sie, gestützt auf ihr früheres Vermögen, auch Andern ihren Ueberfluß mittheilen. Und während sie sich schämen, für Christus mit dem Apostel die freiwillige Entsagung auf sich zu nehmen, wollen sie weder mit der Arbeit ihrer Hände noch mit den spärlichen Mitteln des Klosters sich begnügen. Diesen bleibt nur übrig, entweder einzusehen, daß sie sich selbst getäuscht und keineswegs dieser Welt entsagt haben, da sie ihre früheren Reichthümer nicht aufgeben, oder, wenn sie ein Mönchsleben in der That und Wahrheit führen wollen, Alles auszutheilen und von sich zu werfen und, ohne Etwas von Dem, welchem sie entsagt haben, zurückzubehalten, sich mit dem Apostel zu rühmen in Hunger und Durst, in Kälte und Entblößung.
