7. Einziger Fall der Nothwendigkeit und Heilsamkeit des Zornes.
Wenn wir gerade darüber erregt werden, daß wir von Zorn gegen einen Bruder angewandelt werden, so stoßen wir ganz gewiß in diesem unsern Zorne die Einflüsterungen jenes Zornes von uns und gönnen ihm keine verderblichen Schlupfwinkel im Innern unseres Herzens. Auf diese Weise zu zürnen lehrt uns auch der Prophet (David), der den Zorn in dem Maße aus seinem Gefühle verdrängt hatte, daß er nicht einmal seinen eigenen und noch dazu von Gott in seine Hände gegebenen Feinden Vergeltung angedeihen lassen wollte, indem er1 spricht: „Zürnet, doch sündiget nicht!“ Als er nämlich Wasser aus der Cisterne von Bethlehem gewünscht hatte und es ihm von tapferen Männern mitten durch die Schaaren der Feinde gebracht worden war, goß er es sofort zur Erde. So gegen die wollüstige Leidenschaft seiner Begierde zürnend erstickte er dieselbe, brachte das Wasser Gott dar und erfüllte nicht das Verlangen seiner Lust, indem er sprach: „Der Herr sei mir gnädig, daß ich Das nicht thue. Sollte ich das Blut der Männer trinken, die hingehen auf die Gefahr ihres Lebens?“ Ferner als Semei2 gegen den König David, so daß er es hörte, vor seinem ganzen Gefolge Steine und Fluchworte schleuderte und Abisai, Sarvia’s Sohn, der Heerführer, die Beschimpfung des Königs durch jenes Mannes Enthauptung rächen wollte, ergriff den frommen König eine heilige Entrüstung gegen dessen grausamen Vorschlag, und maßvolle Demuth S. 182 mit Geduld wie Strenge mit unwandelbarer Sanftmuth verbindend rief er aus: „Was habe ich mit euch zu schaffen, Sarvia’s Söhne? — Lasset ihn, er mag lästern; denn der Herr hieß ihn den David lästern. Und wer ist, der es wage zu fragen, warum er Dieß gethan? Sieh’, mein Sohn, der leiblich von mir abstammt, strebt mir nach dem Leben, wie viel mehr nun ein Sohn des Iemini? Lasset ihn, daß er lästere nach des Herrn Geheiß; vielleicht sieht an der Herr meine Bedrängniß und gibt mir Gutes für diese heutige Lästerung.“
