11. Wer seinen Zorn verbirgt und verdeckt, sündigt dadurch nicht weniger, als wenn er ihn offen zeigte.
Wie. es scheint, ist das für einen Jeden das Ziel seiner Wünsche und glaubt Jeder seinem Ingrimm und seiner Mißstimmung reichlich genug gethan zu haben, wenn er Das, was in seinen Kräften steht und der Zorn ihm eingibt, ganz ausgeführt habe. Allein Dasselbe gilt auch von Jenen, die nicht aus Verlangen nach Versöhnung, sondern wegen Unvermögens, sich zu rächen, die Regungen ihres S. 185 Zornes zurückhalten. Denn sie können Denen, auf die sie erzürnt sind, Nichts mehr anthun, ausser daß sie gar nicht mehr mit der gewohnten Freundlichkeit mit ihnen reden. Oder müßte man nur bei dem Vollzug einer Handlung den Zorn mäßigen und nicht vielmehr ihn aus den geheimen Winkeln seiner Brust verbannen? Denn blendet uns die Finsterniß des Zornes, so können wir nicht das Licht weisen Rathes noch das der Wissenschaft in uns aufnehmen, und wohnt in uns der Geist des Zornes, so können wir nimmer ein Tempel des heiligen Geistes sein. Der im Herzen verborgene Grimm beleidigt zwar nicht unsere Mitmenschen, aber er schließt ebenso, als wenn er sich auch nach aussen zeigte, das hell leuchtende Licht des heiligen Geistes aus.
