2.
Was soll ich also tun? Soll ich mit Dir weinen? Dem steht der Apostel entgegen, der die verstorbenen Christen Schlafende nennt. 1 Auch der Herr sagt im Evangelium: „Das Mädchen ist nicht tot, sondern es schläft.“ 2 Lazarus wurde wieder erweckt, weil sein Tod nur ein Schlaf war. 3 Soll ich mich freuen und frohlocken, weil er hinweggenommen wurde, damit nicht Bosheit seinen Sinn ändere, weil seine Seele dem Herrn wohlgefiel? 4 Aber obwohl ich es nicht will und mich dagegen sträube, rollen Tränen über meine Wangen, und allen Ermahnungen zur Tugend trotzend, ungeachtet meiner Hoffnung auf die Auferstehung, drängt das Gefühl der Sehnsucht meinen gläubigen Sinn immer wieder zurück, O grausiger, o harter Tod, der du Brüder trennst und, die in Liebe einander verbunden sind, auseinanderreißest! Der Herr ließ aus der Wüste einen heißen Wind S. b32 heraufkommen, der deine Adern austrocknete und deinen Lebensquell zum Versiegen brachte. 5 Du, o Tod, hast den Jonas verschlungen, aber er blieb in deinem Schoße lebendig. Du hast ihn getragen wie einen Toten, damit der Sturm der Welt sich beruhige und unser Ninive auf seine mahnenden Worte hin Rettung finde. 6 Aber er hat dich besiegt, er hat dich erdrosselt, der flüchtige Prophet, der sein Heim und sein Erbgut verlassen hat, der seine liebe Seele den Händen seiner Verfolger preisgab. 7 Christus hat dir einst durch den Propheten Osee mit strengen Worten gedroht: „O Tod, ich werde dein Tod sein, o Hölle, ich werde dein Biß sein.“ 8 Du bist durch seinen Tod gestorben, wir aber leben durch seinen Tod. Du hast ihn verschlungen und bist dann von ihm verschlungen worden. Du warst gierig nach der Lockspeise des angenommenen Leibes und glaubtest ihn als sichere Beute deiner gefräßigen Kehle zuzuführen, aber da faßte dich der Angelhaken und zerriß dir die Eingeweide.
