18.
Ich habe den Rahmen eines Trostschreibens weit überschritten. Während ich den Tränen um den Tod eines einzigen wehren wollte, fing ich an, die Toten der ganzen Welt zu beweinen. Der mächtige König Xerxes, der Berge abtrug und Meere überbrückte, soll, als er von einem erhöhten Orte aus die unendliche Menschenmenge und sein gewaltiges Heer überblickte, geweint haben, weil nach hundert Jahren keiner von denen, die er vor sich sah, am Leben sein würde. 1 Könnten wir auch eine solche Warte besteigen, von der aus wir die ganze Erde zu unseren Füßen liegen sähen! Dann wollte ich Dir die Ruinen des ganzen Erdkreises zeigen, auf dem Volk gegen Volk und Reich gegen Reich angeht. Die einen werden gequält, andere getötet, von Fluten verschlungen oder in die Sklaverei verschleppt. Hier Hochzeitsjubel, dort Totenklage. Der eine kommt zur Welt, der andere stirbt. 2 Der eine schwimmt im Überfluß, der andere muß betteln. Nicht bloß des Xerxes Heer, alle Menschen, die jetzt auf der S. b55 Erde leben werden binnen kurzem verschwunden sein. Die menschliche Sprache scheitert an der Größe der Ereignisse, und alle Worte bleiben weit hinter der Wirklichkeit zurück.
