22.
Man darf ihnen gegenüber nicht nachsichtig sein, ob sie es schmerzlich empfinden oder nicht; vielmehr sollen sie wissen, daß es immer so geschehen werde. Ihr Amt hat ja hauptsächlich den Zweck, die Haltung der Regel und Satzungen zu überwachen, nicht aber nach ihrem eigenen Belieben etwas davon hinweg oder hinzuzutun, während die anderen alles beachten und den Oberen davon Mitteilung machen sollen. Die Priorin aber, der es leid tut, wenn der Obere etwas erfährt, was sie vollbringt, kann meines Erachtens ihr Amt unmöglich gut verwalten. Denn es ist ein Zeichen, daß etwas nicht in voller Wahrheit den Dienst Gottes bezweckt, wenn ich wünsche, daß es der Stellvertreter Gottes nicht erfahre. Darum muß der Obere achthaben, daß man offen und aufrichtig mit ihm rede. Sieht er, daß dies nicht der Fall ist, so rüge er es mit großer Strenge und sorge dafür, daß es geschehe! Er rede der Priorin oder den Offiziantinnen zu oder wende andere Mittel an! Denn wenn sie auch keine Lügen sagen, so können sie doch manches bemänteln. Es wäre aber nicht recht, wenn man ihm nicht alles kundtun würde, da er doch das Oberhaupt ist, unter dessen Leitung alle leben müssen. Ohne Haupt würde der Leib schwerlich etwas Gutes vollziehen können; ebenso wäre es, wenn man dem Oberen etwas verhehlen wollte, was gebessert werden muß.
