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So habe ich es oft gefunden, und zwar bei Priorinnen, die sehr, sehr fromme Dienerinnen Gottes sind und auf die ich ein solches Vertrauen gesetzt habe, daß ich meinte, es könnte sich etwas unmöglich anders verhalten, als sie sagten. War ich aber einige Tage im Hause, so fand ich zu meinem Erstaunen völlig das Gegenteil davon. Dies war sogar in einer wichtigen Sache der Fall. Die Priorin hatte mir die Meinung beigebracht, sie sei nur aus Leidenschaft angeklagt worden, und doch hat fast die Hälfte des Konventes mir die Sache so berichtet. Sie allein erkannte sich nicht, wie sie es selbst später eingesehen. Da der Teufel nicht viele Anlässe hat, die Schwestern zu versuchen, so versucht er, wie ich denke, die Priorinnen, daß sie in manchen Stücken eine üble Meinung von ihnen fassen. Wenn man aber sieht, wie sie dies alles ertragen, so wird man zum Lobe unseres Herrn gestimmt. Darum habe ich mir vorgenommen, keiner mehr zu glauben, bis ich mich selbst unterrichtet habe, um jener, die sich täuscht, den Irrtum nachweisen zu können. Verführt man nicht auf diese Weise, so wird das Übel nicht gebessert. Was ich soeben gesagt, kommt zwar nicht immer in wichtigen Dingen vor; allein von geringeren Dingen kann es zu größeren kommen, wenn man nicht vorsichtig zu Werke geht. Ich staune über die Arglist des Teufels, wie er einer jeden die Meinung beizubringen weiß, sie sage die lauterste Wahrheit von der Welt. Deshalb sagte ich, man solle der Priorin nicht unbedingten Glauben schenken und ebensowenig einer einzelnen Nonne, sondern in wichtigen Sachen weiter nachforschen, damit das rechte Heilmittel angewendet werde. Unser Herr wolle uns allezeit einen vorsichtigen und heiligen Oberen geben! Ist er es, so wird die göttliche Majestät ihn erleuchten, daß er uns kennenlernt und in allem das Rechte trifft. So wird alles aufs beste geleitet, den Seelen zum Wachstum in der Vollkommenheit und Gott zur Ehre und Verherrlichung dienen.
