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Über die Seele. (BKV)
46. Cap. Über das Eintreffen der Träume und ihre Deutung.
Siehe, da sind wir nun im Gedränge, uns hinsichtlich der Spezialuntersuchung über die Träume, wovon die Seele heimgesucht wird, S. 358 auszulassen. Wann werden wir denn zur Besprechung des Todes kommen? Auch hier möchte ich sagen: Sobald es Gott gibt; der Aufschub dessen, was doch geschieht, dauert wenigstens nicht lange.
Für völlig nichtig hat Epikur die Träume erklärt, indem er ja die Gottheit der Geschäfte entledigt, die Aufeinanderfolge der Dinge aufhebt und alles willkürlich verzettelt, als dem blossen Erfolge preisgegeben und zufällig. Nun gut; wenn dem so ist, so wird es ein Eintreffen der Wirklichkeit geben, weil es nicht angeht, dass sie allein vom Erfolge, der allen Dingen gebührt, ausgenommen sei. Homer hat den Träumen zwei Pforten zugewiesen, eine von Horn für das Eintreffen, und eine von Elfenbein für die Täuschung. Denn durch Horn, sagen sie, kann man hindurch sehen, das Elfenbein aber ist undurchsichtig. Aristoteles spricht seine Meinung für das Überwiegen der Täuschungen aus, erkennt aber damit auch das Eintreffen an. Die Einwohner von Telmessus1 lassen keinen Traum vergeblich sein und schieben die Schuld nur auf die Unzulänglichkeit der Deutung. Wer aber ist den menschlichen Dingen so fremd, dass er nicht auch einmal ein oder das andere eingetroffene Traumgesicht gehabt hätte! Indem ich von den bemerkenswerteren Thatsachen einiges wenige flüchtig anführe, will ich Epikur beschämen. Von Astyages, dem Beherrscher der Meder, erzählt Herodot, dass er im Traume gesehen habe, wie der Blase seiner noch jungfräulichen Tochter Mandane eine Flüssigkeit zur Ueberschwemmung von ganz Asien entquollen sei. Ein Jahr nach ihrer Verheiratung sei derselben Stelle ein Weinstock entsprossen, der sich über ganz Asien gelagert habe. Dies berichtet auch Charon von Lampsakus noch vor Herodot. Diejenigen, welche diese grosse Begebenheit auf ihren Sohn deuteten, haben sich nicht geirrt; denn Cyrus hat Asien sowohl ertränkt als erdrückt.
Philipp von Macedonien sah, bevor er Vater wurde, den Mutterschooss seiner Gattin Olympias mit einem Siegelring versiegelt; darauf war ein Löwe einpetschiert. Er glaubte, ihre Gebärfähigkeit sei verschlossen, vermutlich, weil der Löwe nur einmal Vater wird. Aristodemus oder Aristophon hatten aber die richtigere Mutmassung, dass etwas Leeres nicht versiegelt werde und es daher einen Sohn von der allergrössten Energie bedeute. Wer Alexander kennt, der erkennt auch den Löwen auf dem Petschaft wieder. Ephorus schreibt es.
Die Tyrannis des Dionysius über Sicilien wurde von einer gewissen Himeräa im Traume geschaut. Heraklides hat es überliefert. Für Seleukus sah seine Mutter Laodice, da sie ihn noch nicht geboren hatte, die Herrschaft über Asien vorher. Euphorion hat es berichtet. Dass sich Mithridates infolge eines Traumes des Pontus bemächtigt habe, erfahre ich S. 359 von Strabo, und dass der Illyrier Baralires2 infolge eines Traumes von Molossus bis Macedonien geherrscht habe, lerne ich aus dem Kallisthenes.
Auch die Römer wissen von derartigen eingetroffenen Träumen. Dass der Wiederhersteller des Reiches, als er noch ein Knäblein und Privatmann im Orte und nur erst Julius Octavius war, Augustus und der Beendiger der Wirren des Bürgerkrieges werden würde, das hat bereits Marcus Tullius, der ihn nicht einmal kannte, infolge eines Traumes gewusst. So steht es in den Denkschriften des Vitellius.
Allein Träume sind nicht bloss der Weg, die höchste Herrschaft vorauszuverkünden, sondern auch Gefahren und Untergang; wie z. B., wenn Cäsar in der Schlacht gegen die Aufrührer Brutus und Cassius, obwohl krank, in der Meinung, sonst eine grössere Gefahr von den Feinden zu gewärtigen, auf eine Vision des Artorius hin das Zelt verliess und entkam.3 Des Polykrates von Samos Tochter erkannte seine Kreuzigung vorher, aus seiner Salbung mit Fett durch Sol und seiner Abwaschung durch Jupiter.4
Es werden auch Ehrenstellen und Erfindungen in der Zeit der Ruhe geoffenbart, Heilmittel kund gethan, Diebstähle enthüllt und Schätze verliehen. Ciceros hohe Würde hatte schon seine Kindsmagd, als er noch ein Knäbchen war, erschaut. Der Schwan, der vom Schoosse des Sokrates aus die Menschen bezaubert, war sein Schüler Plato. Der Faustkämpfer Leonymus wurde von Achill im Traume geheilt. Als Athen seine goldene Krone auf der Burg verloren hatte, fand sie der Tragödiendichter Sophokles im Traume wieder. Der Tragöde Neoptolemus bewahrte das Grabmal des Ajax zu Rhöteum bei Troja, im Schlafe von ihm selber gemahnt, vor Einsturz, und nachdem er die verwitterten Steine weggeräumt, kam er reich an Gold zurück.
Wie zahlreich aber sind nicht die Schriftsteller und Gewährsleute für diese Sachen! Artemon, Antiphon, Strato, Philochorus, Epicharmus, Serapion, Kratippus, Dionysius von Rhodus, Hermippus und die gesamte heidnische Litteratur. Nur lachen würde ich höchstens über den, der glaubt, mich überreden zu können, früher als alle habe schon Saturn geträumt. Für den Fall jedoch, dass Aristoteles5 früher als alle anderen Leute gelebt haben sollte, verzeihe man mir den Scherz. Epicharmus hat mit Philochorus dem Athener unter allen Vorbedeutungen den Träumen den höchsten Rang zuerkannt. Mit Orakeln dieser Art ist der Erdkreis bedeckt; solche sind: das des Amphiaraus zu Oropus, des Amphilochus zu Mallus, des Sarpedon in Troas, des Trophonius in Böotien, des Mopsus S. 360 in Cilicien, der Hermione in Macedonien, der Pasiphaa in Lakonien. Die übrigen mit ihren Ursprüngen, Gebräuchen und Berichterstattern nebst der Gesamtgeschichte der Träume wird Hermippus von Berytus der Reihe nach in seinen fünf Büchern sattsam darbieten. Die Stoiker sind geneigt, zu glauben, dass die auf Belehrung der Menschheit so sehr bedachte Gottheit unter den anderen Hilfsmitteln der Weissagekünste und -Lehren uns auch die Träume verliehen habe, als besonderes Privilegium eines natürlichen Orakels.
So viel in bezug auf die Glaubwürdigkeit der Träume, insoweit sie von uns zu bestätigen, aber doch anders aufzufassen ist. In betreff der übrigen Orakel, bei denen kein Schlafen vorkommt, was werden wir anders sagen können, als dass sie ein dämonisches Verfahren der Geister sind, die bereits in den Menschen gewohnt oder ihrer Überlieferungen sich bemächtigt haben, zu jeglichem Aufputz ihrer Schlechtigkeit, die in diesem Falle sich lügnerisch die Gottheit beilegen und mit derselben Geflissentlichkeit auch durch Wohlthaten, wie z. B. Heilmittel, Warnungen und Vorherverkündungen, täuschen, um dadurch gelegentlich desto mehr Schaden zuzufügen, indem sie durch ihre erteilte Hilfe von der Untersuchung der Wahrheit unter falschen Einflüsterungen ablenken? Diese Macht ist keineswegs räumlich eingeschlossen und beschränkt sich nicht auf die Grenzen der Heiligtümer, sondern sie schweift und fliegt umher und ist vorläufig noch frei. Darum mag niemand daran zweifeln, dass sein Haus den Dämonen zugänglich sei und sie die Leute nicht bloss in den Tempeln, sondern auch in ihren Schlafgemächern durch Trugbilder täuschen.
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Stadt in Karien, wo die Wahrsagerei gelehrt wurde. Cic. de divin. I. 41. ↩
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Ein gewisser Bardylis, Räuberhauptmann in Illyrien, besass eine grosse Macht. Diodor. Sic. XVI, 4. Cic. de off. II. 11. ↩
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Dio Cassius erzählt XLVII, 41, die Geschichte ein wenig anders. ↩
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Die Salbung durch Sol bedeutete das Schwitzen in der Sonnenhitze und das Abwaschen durch Jupiter den Regen, dem Polykrates am Kreuze ausgesetzt war. ↩
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Der dies behauptet haben muss. ↩
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A Treatise on the Soul
Chapter XLVI.--Diversity of Dreams and Visions. Epicurus Thought Lightly of Them, Though Generally Most Highly Valued. Instances of Dreams.
We now find ourselves constrained to express an opinion about the character of the dreams by which the soul is excited. And when shall we arrive at the subject of death? And on such a question I would say, When God shall permit: that admits of no long delay which must needs happen at all events. Epicurus has given it as his opinion that dreams are altogether vain things; (but he says this) when liberating the Deity from all sort of care, and dissolving the entire order of the world, and giving to all things the aspect of merest chance, casual in their issues, fortuitous in their nature. Well, now, if such be the nature of things, there must be some chance even for truth, because it is impossible for it to be the only thing to be exempted from the fortune which is due to all things. Homer has assigned two gates to dreams, 1 --the horny one of truth, the ivory one of error and delusion. For, they say, it is possible to see through horn, whereas ivory is untransparent. Aristotle, while expressing his opinion that dreams are in most cases untrue, yet acknowledges that there is some truth in them. The people of Telmessus will not admit that dreams are in any case unmeaning, but they blame their own weakness when unable to conjecture their signification. Now, who is such a stranger to human experience as not sometimes to have perceived some truth in dreams? I shall force a blush from Epicurus, if I only glance at some few of the more remarkable instances. Herodotus 2 relates how that Astyages, king of the Medes, saw in a dream issuing from the womb of his virgin daughter a flood which inundated Asia; and again, in the year which followed her marriage, he saw a vine growing out from the same part of her person, which overspread the whole of Asia. The same story is told prior to Herodotus by Charon of Lampsacus. Now they who interpreted these visions did not deceive the mother when they destined her son for so great an enterprise, for Cyrus both inundated and overspread Asia. Philip of Macedon, before he became a father, had seen imprinted on the pudenda of his consort Olympias the form of a small ring, with a lion as a seal. He had concluded that an offspring from her was out of the question (I suppose because the lion only becomes once a father), when Aristodemus or Aristophon happened to conjecture that nothing of an unmeaning or empty import lay under that seal, but that a son of very illustrious character was portended. They who know anything of Alexander recognise in him the lion of that small ring. Ephorus writes to this effect. Again, Heraclides has told us, that a certain woman of Himera beheld in a dream Dionysius' tyranny over Sicily. Euphorion has publicly recorded as a fact, that, previous to giving birth to Seleucus, his mother Laodice foresaw that he was destined for the empire of Asia. I find again from Strabo, that it was owing to a dream that even Mithridates took possession of Pontus; and I further learn from Callisthenes that it was from the indication of a dream that Baraliris the Illyrian stretched his dominion from the Molossi to the frontiers of Macedon. The Romans, too, were acquainted with dreams of this kind. From a dream Marcus Tullius (Cicero) had learnt how that one, who was yet only a little boy, and in a private station, who was also plain Julius Octavius, and personally unknown to (Cicero) himself, was the destined Augustus, and the suppressor and destroyer of (Rome's) civil discords. This is recorded in the Commentaries of Vitellius. But visions of this prophetic kind were not confined to predictions of supreme power; for they indicated perils also, and catastrophes: as, for instance, when Caesar was absent from the battle of Philippi through illness, and thereby escaped the sword of Brutus and Cassius, and then although he expected to encounter greater danger still from the enemy in the field, he quitted his tent for it, in obedience to a vision of Artorius, and so escaped (the capture by the enemy, who shortly after took possession of the tent); as, again, when the daughter of Polycrates of Samos foresaw the crucifixion which awaited him from the anointing of the sun and the bath of Jupiter. 3 So likewise in sleep revelations are made of high honours and eminent talents; remedies are also discovered, thefts brought to light, and treasures indicated. Thus Cicero's eminence, whilst he was still a little boy, was foreseen by his nurse. The swan from the breast of Socrates soothing men, is his disciple Plato. The boxer Leonymus is cured by Achilles in his dreams. Sophocles the tragic poet discovers, as he was dreaming, the golden crown, which had been lost from the citadel of Athens. Neoptolemus the tragic actor, through intimations in his sleep from Ajax himself, saves from destruction the hero's tomb on the Rhoetean shore before Troy; and as he removes the decayed stones, he returns enriched with gold. How many commentators and chroniclers vouch for this phenomenon? There are Artemon, Antiphon, Strato, Philochorus, Epicharmus, Serapion, Cratippus, and Dionysius of Rhodes, and Hermippus--the entire literature of the age. I shall only laugh at all, if indeed I ought to laugh at the man who fancied that he was going to persuade us that Saturn dreamt before anybody else; which we can only believe if Aristotle, (who would fain help us to such an opinion,) lived prior to any other person. Pray forgive me for laughing. Epicharmus, indeed, as well as Philochorus the Athenian, assigned the very highest place among divinations to dreams. The whole world is full of oracles of this description: there are the oracles of Amphiaraus at Oropus, of Amphilochus at Mallus, of Sarpedon in the Troad, of Trophonius in Boeotia, of Mopsus in Cilicia, of Hermione in Macedon, of Pasiphäe in Laconia. Then, again, there are others, which with their original foundations, rites, and historians, together with the entire literature of dreams, Hermippus of Berytus in five portly volumes will give you all the account of, even to satiety. But the Stoics are very fond of saying that God, in His most watchful providence over every institution, gave us dreams amongst other preservatives of the arts and sciences of divination, as the especial support of the natural oracle. So much for the dreams to which credit has to be ascribed even by ourselves, although we must interpret them in another sense. As for all other oracles, at which no one ever dreams, what else must we declare concerning them, than that they are the diabolical contrivance of those spirits who even at that time dwelt in the eminent persons themselves, or aimed at reviving the memory of them as the mere stage of their evil purposes, going so far as to counterfeit a divine power under their shape and form, and, with equal persistence in evil, deceiving men by their very boons of remedies, warnings, and forecasts,--the only effect of which was to injure their victims the more they helped them; while the means whereby they rendered the help withdrew them from all search after the true God, by insinuating into their minds ideas of the false one? And of course so pernicious an influence as this is not shut up nor limited within the boundaries of shrines and temples: it roams abroad, it flies through the air, and all the while is free and unchecked. So that nobody can doubt that our very homes lie open to these diabolical spirits, who beset their human prey with their fantasies not only in their chapels but also in their chambers.