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1. Es ist also nicht recht, wenn man dem Liebesgenuß frönt oder lüstern auf die Erfüllung seiner Begierden aus ist, und ebensowenig, wenn man sich der Erregung durch die unvernünftigen Leidenschaften hingibt und Verlangen darnach trägt, unrein zu werden. Wie für einen Landmann aber ist es für den Verheirateten nur dann gestattet, Samen auszustreuen, wenn die Zeit die Aussaat zuläßt.
2. Gegen die Unenthaltsamkeit zu anderer Zeit ist aber die Vernunft das beste Gegenmittel; eine Hilfe bringt es aber auch, wenn man sich vor Übersättigung hütet, durch die die Begierden entzündet und mit unbändigem Verlangen nach Liebesgenuß erfüllt werden. Man darf sich daher ebensowenig um kostbare Kleidung wie um abwechslungsreiches Essen bemühen.
3. Der Herr selbst teilt ja seine Ermahnungen ein in solche, die sich auf die Seele, auf den Körper und drittens auf die äußeren Dinge beziehen, und rät, sich des Körpers wegen um die äußeren Dinge zu kümmern und den Körper für den Dienst der Seele zuzurichten; die Seele aber erzieht er, indem er sagt: „Seid nicht besorgt um eure Seele, was ihr essen werdet, und um euren Körper, was ihr anziehen werdet; denn die Seele ist mehr als die Nahrung und der Körper als die Kleidung.“1
4. Und für seine Lehre fügt er ein anschauliches Beispiel hinzu: „Schaut die S. a109 Raben an: sie säen nicht und ernten nicht; sie haben keine Vorratskammer und keine Scheuer, und Gott ernährt sie doch; seid ihr nicht viel besser als die Vögel?“2
5. Und soviel über die Nahrung; in ähnlicher Weise belehrt er aber auch über die Kleidung, die zu der dritten Gruppe, den äußeren Dingen, gehört, indem er sagt: „Schaut die Lilien an, wie sie nicht spinnen und nicht weben; und doch sage ich euch, daß nicht einmal Salomon sich wie eine von ihnen kleidete.“3 Der König Salomon war aber auf seinen Reichtum außerordentlich stolz.
