2.
Nach derselben Melodie.
1. S. 7 Wer hat denn den Bardaisan nach dem Namen des Daisan benannt? Er [der Teufel] hat in ihm mehr ertränkt als im Daisan; seine Überschwemmung führte Dornen und Unkraut mit sich. Er glättete den Markion aufs beste, um ihn rosten zu machen; er schärfte ihn, um seinen Geist durch Lästerung stumpf zu machen. Mani war ein Gewand, das jene verdarb, die es trugen 1.
Kehrvers: Dein Prüfungsofen, o Herr, möge den Trug des Bardaisan bloßstellen!
2. Und siehe, es machen sich die Hunde des Mani an jeden Menschen heran; sie umwedeln einen jeden, den sie treffen, um des täglichen Brotes willen. Kranke Hunde sind sie, die es sich nicht brechen können. Sündenschulden wollen sie vergeben; darin sind sie nun ganz irrsinnig, und sie müßten niedergeschlagen werden, denn nur einer ist, der den Sündern ihre Schuld vergeben kann 2.
3. S. 8 Nach ihrer Willkür verzerren sie das Wort des Wahrhaftigen, der seinen Jüngern befahl, einmal durch das Wasser die Sünden der Menschheit nachzulassen, und der [die Gewalt] gab, zu lösen und auch zu binden, damit jener, der gebunden ist, vor den, der alles vergibt, bittend trete, denn der Allerbarmer erbarmt sich auch unser wegen unseres [Reue-] Schmerzes.
4. Denn recht ist es, daß der, der sich der Sünde hingab, nun Schmerz empfinde; und wenn der Allerbarmer sich unser wegen unseres Reueschmerzes erbarmt, so ist’s ein Possenspiel, wenn sie uns 3 um der Brotbrocken willen Verzeihung versprechen. Der Prophet, der Sohn des Buzi, lehrt es dich: Brotstücke als Lohn der Zauberei geben sie den Zauberinnen 4. Und es hört die Buße auf infolge des Geschenkes für die Bäuche.
5. Traue [ihnen] nicht, Unerfahrener, daß sie dich nicht wieder anfallen! Ein zerbrechliches Rohr ist diese ihre Vergebung, Sünden fügt sie noch hinzu. Dem Leichtfertigen mag dieses Blendwerk für seinen unheiligen Lebenswandel recht sein, und käme auch kein Mensch in die Hölle, möchte auch ich wohl an diesem mühelosen Lebenswandel Gefallen finden.
6. Die Sabbatianer 5 bringt ein Weib unter seine Gewalt, so daß sie ihre Häupter unter seine Hand beugen; auf dem Lehrstuhl im Bema [Altarraum] sitzend, predigt es ihren Ohren, spottet es ihrer S. 9 Bärte. Rügt es da nicht die Natur und macht es erröten? Auch Qûq ward für die Qûqiten zum Sinnbild seines Namens: zu leeren Krügen hat er sie durch seine Lehre gemacht 6.
7. Das ist das Auffällige, daß sie, obschon sie gleich sind, [untereinander] uneinig sind; der Teufel ist es, der mit ihnen umgeht wie mit einer Rohrflöte; er spielt auf ihnen zum Streit anreizende Lieder. Das ist eine Zither, deren Saiten bei ihrem Spiel nicht übereinstimmen, die nicht zusammenklingen zu einer wohlklingenden Melodie; ihr Verfertiger ist ja der Verfluchte [der Teufel].
8. Sie ergriffen alle trügerischen Bogen 7 und berauschten sich an einer Hefe; einer füllt sich von anderen an und gibt es von sich. Die Kirche rief ihnen [warnend] zu, und der Teufel fürchtete sich vor ihr. Er sah die Heiligen in ihrer Mitte und wurde erschüttert; darum verschloß er mit Streit die Ohren seines Unkrautes aus Furcht, es möchte ihre [der Kirche] Stimme an ihre Ohren dringen.
9. Und es blähte und füllte sie auf der Teufel mit seinem Hochmut und drückte ihnen das Siegel des Widerspruchs auf; er verdarb sie und zeichnete in ihnen ein Bild der Widersetzlichkeit. Und als er sah, dass sie hungerten, schnitt er ab und gab ihnen gestohlene Worte zu; sie wurden blind und gaben sich nicht die Mühe, unter den abgeschnittenen Gliedern nach den dazugehörigen zu suchen 8.
10. Und da er erkannte, daß es nicht möglich sei, schloß er sie bei sich ein; doch die Wahrheit trat offen auf und bewies und machte wahr ihre Worte. Er sah, daß seine Gefangenen trunken waren von der Liebe S. 10 zu jener Wahrheit; darum schnitt er aus jenem Buche des Lebens heraus Worte zum trügerischen Troste für seine Schüler, und damit sammelte er Gefangene in seiner Höhle.
11. Da die Lüge wegen ihrer Abscheulichkeit kein Ansehen finden konnte, so hat er ihren Trug mit dem Aufdruck der Wahrheit zu vertuschen gesucht, um so ihre wahre Gestalt zu verkleiden und durch ihr äußeres Aussehen in die Irre zu führen. Und weil es von der Wahrheit gestohlen ist, so konnte er es weder ganz zur Lüge, noch ganz zur Wahrheit machen; das von ihm Gestohlene wird zu seiner Anklage ohne Widerspruch genügen.
12. Sogar den lebendigen Sauerteig, den er von uns gestohlen und geraubt hat und den er in seine Worte eingehüllt hat, fürchtete er, daß er nicht etwa Lebenskraft den Seelen seiner Hörer einflöße. Die Kraft der Worte, die er gestohlen hat, veränderte er, um ein Fundament auf Sand seinen Bauleuten zu bereiten, die sich abmühten und Trug erbauten, einen Turm, dem Falle geweiht.
13. Die Kirche erkennt ihre Bücher durchaus nicht an, während sie selbst Zeugen sind für die in ihr niedergelegten Bücher. Indem sie bekennen, daß Moses existierte, klagen sie sich selbst an. Da einer dem andern die Wahrheit abstreitet, erklären sie ihre Bücher für verfälscht und geben so, ohne es zu merken, die Krone dem Wahrhaftigen, indem sie seine Herolde anerkennen.
14. Während sie wähnen, etwas sehr Großes gefunden zu haben, hat die Wahrheit sie weislich überführt: dadurch, daß sie über ihre [der Weisheit] Worte zu Gericht saßen, machte sie [die Wahrheit] sie zu Unterpfändern und Zeugen für ihre Worte. Während sie sich gegenseitig überführen, gleicht die Wahrheit dem Gedeon: indem sich die Toren gegenseitig mit ihren Schwertern zerfleischen, reichen sie besiegt ihr die Krone.
15. Alle die Söhne des Irrtums bekennen, daß es eine Wahrheit [d.h.die Heilige Schrift] gibt; Mani S. 11 leugnete viel, wurde aber bald überführt. Wenn sie im Irrtum wären und glaubten, daß es keine Wahrheit gäbe, so könnte einer meinen, daß sie sie nicht kennen. Sie sind aber ihre eigenen Ankläger, da sie die Bücher zerschneiden und verstümmeln und die Worte, deren Sinn nur einer ist, verdrehen.
16. Wenn sich jemand erkühnt und ein Glied wegschneidet, so treten alle übrigen Glieder auf und fordern es zurück, und auch sein Ort [wo es weggeschnitten wurde] schreit nach dem Gliede. Und während das Wort, das abgeschnitten wurde, etwas Lebendes und Allbelebendes ist, ist es tot für den Dieb; sobald es an seine Stelle zurückversetzt wird, wirkt es lebenspendend, wenn es gelesen wird.
17. So ist es mit dem Körper der Wahrheit, deren Worte, den Gliedern vergleichbar, die Frevler und Irrlehrer abgeschnitten haben. Weil sie aber etwas Geistiges ist, wird sie als etwas [in sich] ganz Vollkommenes [Vollständiges] erfunden; bei den Unvollkommenen, die sie zerschnitten haben, ist sie unvollkommen, und sie können von ihr keine Fülle empfangen. In der wahren Kirche ist sie vollkommen und macht sie vollkommen.
18. Die Kirche des Wahrhaftigen ist groß und ihr Busen weit, und sie faßt die Fülle zweier Testamente. Geborstenen Zisternen nämlich wirft man vor, daß sie keine Wasserfluten in sich halten können 9. Denn die alten Schläuche hat zerrissen durch seine Neuheit der Wein, dessen Ungestüm in den neuen gebändigt wird.
19. Es sahen die Kinder des Irrtums, daß die beiden Testamente, verbunden und vereint, zu einem Körper der Wahrheit geworden sind; da schnitten sie an ihnen ab und nahmen und fügten zusammen und fertigten Bücher; sie schnitten heraus und nahmen Stücke, die [ihnen] zusagten. Das war ein Frevel, daß sie einen vollkommenen Körper zusammenfügen wollten aus diesen abgeschnittenen Gliedern.
20. S. 12 Ohne Anfang ist das Buch, in dem sie lesen; wie konnten sie auch einen Körper bilden, der kein Haupt hat und nicht die Hände der beiden Testamente? Wer sah jemals einen so missgestalteten Körper, der keine Hände und keine Sinneswerkzeuge hat? Ein Körper ist’s, den Blinde und Häretiker gebildet haben.
21. Ein Auge an Stelle des Ohres bildeten sie, die Schwätzer; die linke Hand schnitten die Toren ab und nahmen sie fort; an ihre Stelle fügten sie einen Fuß an als andere „Linke“. Ihr Werk bezeugt, wie verkehrt sie handelten, indem sie an Stelle des gepriesenen Körpers der Worte die Mißgestalt eines Buches bildeten, dessen Text verwirrt ist.
22. Dich, o Kirche, erfreut dieser Körper der Wahrheit, wohlgeordnet in seinen Gliedern, vollendet in seinen Worten, getreu in seinen Verheißungen, gekrönt in seinen Vollkommenheiten. Die Wahrheit ist ihr erhabenes Haupt, und die beiden Testamente sind ihre ausgestreckten Hände, die Apostel sind ihre Sinne, die Propheten dienen ihr als Glieder.
Erläuterung zu den Sabbatianern in Strophe 6: Über die Sabbatianer hat Jakob von Edessa [† 708] eine wichtige Angabe in dem 12. Briefe an den Styliten Johannes von Litharb [?], der ihn über einige Stellen in den Hymnen Ephräms um Rat gefragt hatte. Der syrische Text wurde von W. Wright im Journal of sacred Literature [1867], S. 24 [der syrischen Paginierung] u. ff. veröffentlicht; eine französische Übersetzung lieferte F. Nau in der Revue de l’Orient chrétien 10 [1905], 277 ff. Der Brief ist auch deshalb wichtig, weil er die Ephräm-Stelle über die Sabbatianer wörtlich, wenn auch mit zwei geringfügigen Varianten zitiert. Die Stelle des Briefes lautet: „Deine Brüderlichkeit fragt mich über jenes Weib, von dem der heilige Mar[i] Ephräm in den Hymnen gegen die Häretiker sagt: ,Es unterwarfen sich die Sabbatianer, so daß sie ihre Häupter unter ihre Hand beugten´; wer ist jenes Weib, und wer sind die Sabbatianer? Ich will Dir ganz einfach und kurz antworten. Es gab nämlich in Edessa eine gewisse Frau, die von ihrer Jugend an die Keuschheit und Enthaltsamkeit liebte; sie mischte sich unter die Knaben und wurde in der Schule in der Lehre der Kirche S. 13 unterrichtet. Sie wurde von ihren Eltern Qamsû genannt. Sie täuschte durch ihr Aussehen und änderte auch ihren Namen und benahm sich so, daß sie von allen für einen Mann gehalten wurde, und keinem wurde bekannt, daß sie eine Frau sei. Sie lernte die Wissenschaft der Männer unter Männern, und sie wurde von jedermann für einen Eunuchen angesehen, sei es, daß sie es vom Mutterleib an sei, oder daß sie von Menschen verschnitten sei. Schließlich wurde sie ordiniert und wie ein Mann in den Klerus eingereiht bei jener Sekte, die man Sabbatianer oder Sambatianer nennt, weil sie den Sabbat halten und verehren wie den Sonntag; so jene damals, und jene, die von ihnen in den Gegenden Galatiens und Phrygiens übriggeblieben sind. – Nachdem sie dem Klerus beigezählt worden war, wurde sie in der Kirche der Sambatianer, die damals in Edessa bestand, berühmt und gelobt, sowohl wegen ihrer Keuschheit und Enthaltsamkeit als auch wegen ihrer Geistesschärfe und Gelehrsamkeit; sie war sogar beredter als viele ihrer Gesinnungsgenossen, so daß man sie zum Bischof wählte, da man glaubte, daß sie ein Mann sei. Und so wurde sie Bischof der Sambatianer in Edessa: ‚Und auf den Bischofsstuhl im Bema [Altarraum]’ wie der Lehrer Mar[i] Ephräm sagt, predigte sie ihren Ohren und spottete ihrer Bärte, und nicht rügte sie die Natur und machte sie erröten.’ Und der Platz ihrer Kirche besteht noch heute und ist bekannt und wird auch jetzt noch Ecclesia der Sambatianer genannt. Den Platz in Edessa kenne ich aus eigener Anschauung, ich, der ich dieses erzähle. – So verhält es sich mit der Geschichte jener Frau, und das ist die Sekte, der sie angehörte, nämlich der Sabbatianer, die den Sabbat beobachten. Man muß aber wissen, daß es zwei Sekten gibt, die Sambatianer genannt werden: eine in den alten Zeiten der Apostel und Jünger, die andere später, die eine Sekte von den Anhängern des Novatus her ist, die die Tür vor den Sündern, die Buße tun, zuschließen, und jetzt sind sie in Galatien. Das ist alles über Qamsû und die Sabbatianer, über die sie spottet.“ In demselben Briefe äußert sich Jakob von Edessa auch über die Qûqiten: „Betreffs dessen, was Deine Brüderlichkeit über Qûq und die Qûqiten fragt, möchte ich Dir mitteilen, daß fünf Häresien von der schmutzigen Freveltat des Valentinos ausgegangen sind, und jede von ihnen fügte noch hinzu und veränderte seinen Frevel über ihre Vorgänger hinaus: [das sind die Häresien] des Valentinos, des Markion, des Qûq, des Bardaisan und des Mani. Die des Markion ist eine Sekte der Valentinianer, ebenso auch die Sekte des Qûq, die nach seinem Namen Qûqiten genannt wurden; und auch er veränderte vieles von den [Lehren] des Valentinos und ebenso S. 14 von den des Markion. Die Anhänger des Bardaisan sind nicht eine Sekte von jenen, die vor ihm bestanden, sondern sie nahmen von eben diesem Bardaisan ihren Anfang; als er aus der Kirche der Orthodoxen in Edessa ausgestoßen wurde, folgten ihm viele Anhänger seines Frevels und bildeten eine Häresie und Sekte aus dem Volke für sich selbst; sie wurden Daisaniten, nach dem Namen des Bardaisan, genannt; in ähnlicher Weise wurde die Sekte der Manichäer nach dem Namen des Mani benannt.“ – Über die Qûqiten handelt auch Theodor bar Kônî in seinem Buch der Scholien [Corpus Script. Christ. Orient. Syri, Ser. II tom. 66, 333 f.] und der von Rahmani, Studia Syriaca IV, 101 herausgegebene Traktat. Auch im Testamente Ephräms werden unter den von ihm bekämpften Häretikern die Sabbatianer und Qûqiten genannt.
Der 2. Hymnus ist auf Grund der römischen Ausgabe nach Strophen und Verszeilen geordnet abgedruckt, mit lateinischer Übersetzung und längst veraltetem Kommentar versehen von A. Fr. V. de Wegnern, Manichaeorum indulgentias cum brevi totius Manichaeismi adumbratione e fontibus descripsit. Leipzig 1827. Eine metrische Übersetzung der 2.–5. Strophe von P. Zinger1e, Ausgewählte Schriften des heiligen Kirchenvaters Ephräm, 4. Bd. [Innsbruck 1833]. 282 f. – Die 1. Strophe enthält Wortspiele mit den Namen der Häretiker; Daisan [Σχιρτός; = von σχιρτάω „springen, hüpfen“, wie Daisan von dās mit derselben Bedeutung] ist der Name des Baches bei Edessa, nach dem der Häretiker seinen Namen hatte; Markion bringt Ephräm mit měraq „glätten“ zusammen; für Mani muß ihm, wie schon im 1. Hymnus, das syrische Wort mānā „Gefäß, Kleidung“ Gelegenheit zum Wortspiel geben. Auf ähnliche Wortspiele mit Namen macht S. J. Mercati, S. Ephraem Syri Opera I, Rom 1915, 179 f. aufmerksam. Wir werden auch bald solchen wieder begegnen. ↩
Hier liegen Anspielungen auf Gebräuche der Manichäer vor; die „Electi“, die neben den signacula oris und sinus auch des s. manus beobachten mußten, also keine Arbeit zur Erlangung des Lebensunterhaltes [z. B. Pflücken = Ernten von Früchten] leisten durften, ließen sich von den „Auditores“ die nötigen Speisen zubereiten und reichen; dafür sollten letztere Vergebung ihrer Sünden erhalten; vgl. dazu die über Mani und seine Lehre handelnden Werke, von denen einige S. 4 Anm. 2 genannt wurden. ↩
Die Londoner Hs hat „mir“. ↩
Nach Ezech. 13,19. ↩
Über die Sabbatianer und Qûqiten siehe die Erläuterung des Jakob von Edessa unten S. 12 am Schlusse dieses Hymnus. ↩
Wieder eines der bei Ephräm beliebten Wortspiele mit den Eigennamen; Qûq = Amphora, Krug. ↩
Anstatt lēqeštātâ [Bogen] würde man eher etwa lĕšeqjātâ [Getränke] erwarten. ↩
Str. 9 u. 10 sind in der römischen Hs teilweise schwer leserlich, und darum ist in der Druckausgabe [p. 441 A–C] ein Phantasietext geboten, der aus zwei Strophen drei gemacht hat. ↩
Vgl. Jer. 2,13 ↩
