8.
Nach derselben Melodie.
1. Lernen wir an den Tieren, daß nicht die Gestirne [bei ihnen] die Zeit der Begattung geordnet, bei den Menschen aber ungeordnet gelassen haben! Lassen wir uns beschämen durch die geregelte Begattung der Vögel, verachten wir die Zeichen des Tierkreises bei allen Dingen! Denn nicht die Sterne haben die Raben züchtig in der Begattung gemacht 1, ebensowenig wie die Sterne unzüchtige Männer und Frauen zur Sünde verführten 2.
2. Siehe, ein Wort, das den Mund des Chaldäers verschließt! Ein Stern soll nämlich den verheirateten Frauen vorstehen, die, wenn sie angeklagt werden, den Tod wegen ihrer Ehebrüche erleiden; rechtfertigt etwa ein anderer Stern immer ihre Männer, die sich Buhldirnen kaufen? O wie töricht ist das Buch und der Traum 3 des Chaldäers!
3. Eingeschlossen sind die Jungfrauen, engverwahrt die Bräute; Eunuchen und Wächter hüten sie jede Stunde, jedermann gibt auf sie acht, jedermann S. 37 macht ihnen Vorwürfe. Wer ist beständig gegen sie erregt 4? Und wer läßt [anderseits] die Bräutigame und Jünglinge frei und zügellos, so daß sie jeden Tag durch Ausschweifungen die Gerechtigkeit herausfordern können?
4. Dem Manne gestattet [demnach] das Fatum, innerhalb und außerhalb sittenlos zu sein, daß er sogar die Frau seines Knechtes schänden darf, ohne den Tod zu erleiden; und wenn der Knecht, und auch seine Herrin mit ihm, sich verschwören und an dem Wüstling Vergeltung üben, wer zürnt, wenn sie sich [auch] vergehen und Unrecht tun, über sein Tun, da es [nur] Vergeltung ist, und verlangt den Tod, da es [nur] gerechter Zorn ist?
5. Der Gerechte [Gott] hat die Ehe auf der Wage gewogen; Eva legte er auf die eine Schale, Adam auf die andere. Er hatte weder zwei Männer gebildet noch zwei Frauen gemacht, um zu lehren, daß der eine an die eine gebunden sei. Dieselbe Wage wägt auch bei der Auferstehung; und wer den Weg überschritten hat, den führen sie auf die linke Seite.
6. Dich, o Mann, möge deine Begierde nicht täuschen, daß du denkst, daß Natur und Gebot das Weib [allein] binden. Durch die Rippe 5 richtet er dich. Ist sie auch verhüllt, so ist ihre Schamröte doch rein und offenkundig und nicht verächtlich. Weil du dein Haupt offen und frei erhebst, ist deine Schamröte verborgen; rein und offen soll auch deine Schamröte sein nach dem Vorbilde deines Hauptes.
7. Es fielen und trieben Ehebruch Weiber im Volke der Hebräer; und weil die Rippe schwach ist, schadete ihr Verbrechen nur ihr selbst. Als aber das Haupt sich verging und in Unzucht fiel, stürzte es zwanzigtausend in seinen Fall 6. Nathan ließ die S. 38 Rippe und lief zum Haupte 7, Jakob ließ die Bilha, über den Erstgeborenen aber sprach er den Fluch aus 8.
8. Denn wenn sie [die Gestirne] die Lose von Reichtümern und Besitztümern geben, ist es wahrscheinlich, daß ein Mensch glaubt, daß sie von sich aus etwas nach unten gaben? Wer hat wohl den Reichtum entdeckt, der von [bei] ihnen oben ist? Wenn sie selbst davon nichts geoffenbart haben, von wem erfloß diese Quelle der Verheißungen, daß sie [die Quelle] etwas Unsterbliches den Sterblichen gab?
9. Wenn aber ihre Blicke [= die Aspekte der Sterne] beschämt werden durch Ehebrecher, und ihr Antrieb zu ängstlichem Schweigen gebracht wird durch Mörder, und ihr Anstoß ohnmächtig wird durch Greise und Kinder und auch der Verstand ihre Kraft widerlegt, so genügt dies zur Verurteilung der Chaldäer, da es zeigt, daß unsere Freiheit über sie [die Sterne] erhaben ist.
10. Die keuschen Männer und Frauen besiegten im Kampfe jene Unzüchtige 9, die sie zu den Sieben [Planeten] beizählten, derentwegen schamlose Männer und Frauen ausgelassen und infolge des verfluchten Sternes verrückt wurden, der in den Städten die Griechenherden verwirrte, und in der Wüste die Wildesel, die Hagarsöhne, befiel.
11. Das Fatum soll auch den Körpern all die verschiedenen Farben verleihen. Wie kommt es, daß es in Indien den Schwarzen nicht eine andere Farbe gab? Und wie, daß es die Weißen in Medien nicht schwarz gemacht hat? Im Süden widerlegen den Tierkreis die Körper der Dunkeln, im Norden die der Blonden, im Osten die der Bärtigen und im Westen die der Gelockten.
12. S. 39 Kronen und Ehrengaben [werden] den Königen und Großen [gegeben], Weihrauch sogar den gemeißelten Steinen [dargebracht]; und selbst der, der sein einziges Werk vollbrachte, verehrt es; wer aber beschimpft nicht die Sterne? Das Fatum nennt man blind, einen Ehebrecher 10 den Mond; als eine Buhlerin auf der Straße hat man den [Venus-] Stern hingestellt.
13. Ein paar Weiber hat man auch unter den Sternen genannt, und zwar sind es nicht gewöhnliche Namen ohne Bedeutung, es sind [nämlich] Namen von Weibern, die auch von Begierlichkeit erfüllt sind. Und wenn jene Weiber allen [Männern] angehören, wer unter ihnen ist keusch, wer unter ihnen rechtschaffen, da sie nicht einmal wie die Vögel den Geschlechtsgenuß geordnet haben?
14. Fragen wir die Chaldäer über jene beiden, die sich fünf andern zugesellt haben, über den Mond [= Selene] und den Venusstern! Sie haben die Ehe her abgewürdigt und mit Füßen getreten durch ihre Ehebrüche, sie haben die Ehe in allem zur Lüge gemacht. Die Frau des Chaldäers soll ihn beschämen, wenn er etwa eifersüchtig auf sie ist; seine Frau muß ja von ihrem Sterne lernen.
15. Er muß auch seine Tochter aneifern, eine Schülerin des Mondes 11 zu sein, um die Lasterhaftigkeit zu lernen. Und von einem andern Sterne sagen sie, daß er ein Mörder sei 12; er [der Chaldäer] muß demnach auch seinen Sohn zum Schüler dieses Sternes machen, der das Schwert wahllos zückt. Er mag auch den seine eigenen Kinder fressenden Saturn 13 nachahmen.
Ephräm erweist sich hier wiederum abhängig von der im Physiologus [Lauchert 27, syrisch Ahrens Nr. 46] niedergelegten Anschauung. ↩
Bei diesem wie bei dem folgenden Hymnus haben die Hss keinen Kehrvers; wahrscheinlich gilt der des 7. Hymnus auch für die beiden folgenden. ↩
Die römische Hs hat statt helmâ Traum, helqâ, das Fatum. ↩
= Wer wacht beständig eifersüchtig über sie? ↩
Rippe, hier bildlich für Weib. ↩
Anspielung auf Absaloms unglückliche Schlacht, wo 20 000 Mann fielen; Absaloms Empörung und Niederlage war eine Strafe für Davids Ehebruch; vgl. 2 Kön. 12,11 und 18,7. ↩
Nathan tadelte nicht die Bethsabe, sondern hielt David eine Strafrede; vgl. 2 Kön. 12 ↩
Vgl. Gen. 35,22 und 49,4. ↩
Die Venus, der Venusstern. ↩
Sahrâ = Mond ist hier im Syrischen weiblich gebraucht, da der Name für Selene, die Mondgöttin, steht; in den Zusammenhang würde es besser passen, zu übersetzen: „Die Mond [-Göttin] eine Ehebrecherin.“ Auch im folgenden Satze ist der Venusstern nur der Repräsentant der Göttin Venus. ↩
Auch hier ist wieder die Selene gemeint. ↩
Mars. ↩
Syrisch Kêwān. ↩
