35.
Nach derselben Melodie.
1. Wenn es die Natur [Eigenart] des Fremden ist, daß er der Erhalter [der Welt] ist, so ist eins von drei Dingen bezüglich seiner Ankunft möglich: entweder kam er ganz oder er kam nicht ganz oder er war seit jeher hier. Wenn er nun ganz gekommen ist, so ist dies ein Ärgernis; wenn er zur Hälfte kam, so ist dies eine Lästerung, ....“1
S. 130 Kehrvers: Gepriesen sei, der getadelt wurde wegen seiner Demut; gepriesen sei, der gelästert wurde wegen seiner Güte!
2. Wenn er nun ganz aufbrach und auszog, um zu kommen, hat er jenen Ort leer gemacht, von dem er ausging und auszog; und wenn auch nur ein wenig, etwa ein Teilchen von ihm [dem Orte] weggeht, dann ist eine Stelle leer. Wenn seine Fülle auch nur wenig nachgelassen, wird doch an ihrer Statt eine Leere gefunden; und es ist bekannt, daß dort, wo etwas entleert ist, statt Ordnung [Friede] Öde [Chaos] wohnt.
3. Schau auf den Ursprung dieser sichtbaren Sonne, und sieh, wie gewaltig das Hervorströmen ihrer Strahlen ist! Wenn sich aber ihr Glanz weiter fortpflanzt, wird er schwächer, und die Gewalt ihrer Strahlen läßt nach. Auch die Hitze und die Glut wird mit der Entfernung vom Feuer geringer und schwächer; um wieviel mehr wird also ein Glanz abnehmen, der sich von weiter Ferne auf uns erstreckt !
4. Und wenn sein Wesen eine Eigenschaft hat, wie von einem Gefäß in ein anderes sich zu ergießen und entleeren, so ist es [das Wesen] völlig ein Gegenstand der Geringschätzung, denn viel größer als es [das Wesen] ist das Gefäß, in das es hineinkam. Wenn nun aber sowohl unser Ort als auch sein Ort zusammen mit dem Ort der Mitte voll sind von ihm, so ist erkennbar, daß nur einer ist, der größer ist als alles, und nur der Irrtum hat Teilungen vorgenommen.
5. Siehe, da die Gewalt der Fragen sie in Verlegenheit gebracht hat, hat sie die Niederlage überredet, Teile zu wählen, so daß sie sagen, er [der Fremde] ist Erbe, oder er ist Schüler, oder auch, daß er ein Dieb ist. Wenn der Fremde nicht der Sohn des Schöpfers ist, dann hat er [nur] den Rang eines Schülers angenommen; und wenn S. 131 sie dann dieses nicht anerkennen wollen, ist er ein Dieb, der gekommen ist, um zu rauben.
6. Der Fremde wird nämlich erfunden als Schüler des Schöpfers, auf den er schaute und den er nachahmte; er eiferte nämlich wie jener für seine Kirche, die er sich zu eigen nahm, und er zeigte sich als Rächer. Er spendete Glück, um seine Güte zu zeigen; er spendete Wehe, um seine Gerechtigkeit zu beweisen. Jeden Tadel, den die Irrenden anfechten, zogen sie sich, wie Giezi den Aussatz, selbst zu.
7. Ein Gegenstand des [strafenden] Zornes bist du, Satan! Wer vermag etwas wider dich? Das Feuer nur kann deine Ränke vereiteln. Er lehrte die Irrenden die himmlischen Anordnungen zu verwirren. Der Schöpfer kleidete sich in unsere Gestalten, sie aber [die Irrlehrer] stellten seine Gestalt [die Anthropomorphismen] als Wirklichkeit hin; als aber unser Herr die Menschheit anzog, machten sie seine Menschheit zum Schein.
8. So verkehrte der Böse das Herz der Hebräer; als nämlich Moses ausrief: "Euer Gott ist einer“ 2, gingen sie so weit, ein Kalb zu bilden. Als aber der Erstgeborene erschien, wachten sie auf, verfolgten die Wahrheit und stellten die Lehre wieder auf, die sie verworfen hatten, daß nur ein Gott sei; zur Auflösung der Wahrheit bekannten sie den einen, und als einer war [den Moses predigte], gesellten sie ihm viele bei.
9. Sie [die Markioniten] machten ferner den Fremden zur Quelle der Güte und stellten den Schöpfer als Gegner der Güte hin. Durch ihre Lästerung ist er verherrlicht worden, denn siehe, während sie ihn lästern, tut er ihnen täglich Gutes; eben dadurch, durch das sie beweisen wollen, daß er nicht gut sei, zeigte er Grade seiner Güte. Denn wer ist so gut wie der, der die Münder nährt, die ihn lästern?
10. S. 132 Wenn die Leugner nur ein wenig Verstand hätten und in Wahrheit wissen wollten, wer gut ist, [so würden sie einsehen], daß keiner besser ist als jener, der selbst an seinen Anklägern seine Güte beweist. Siehe, jeden Tag preisen sie den Fremden, und doch kommt weder Tau noch Regen von ihm über sie; sie lästern aber den Gerechten, der, trotzdem er gerecht ist, sich ihnen durch seine Tautropfen gütig zeigt.
11. Sind vielleicht jene nicht tadelnswert gegenüber dem Herrn der Güte, die seine Liebe dazu brachte, daß sie von ihm abfielen? Dadurch nämlich, daß er das Meer seiner Güte öffnete durch die Hand seines Geliebten, wurden in ihren Augen die Quellen der Güter klein, die er durch die Hand seiner Propheten ergossen hatte. Die Propheten schlossen und öffneten Quellen, das Meer der Güte aber öffnete der Eingeborene.
12. Weil er aber seine Güte vermehrt hatte, setzten sie seine Gerechtigkeit herab; dadurch, daß er seine Gabe so groß machte, machte er sie befremdend [unbegreiflich]. Während sie nämlich ihn lästern, tut er ihnen Gutes, damit wir durch eben dieses lernen, daß wir aus dieser Güte erkennen, daß auch sie selbst seine Gabe sei, daß Gott, der gelästert wird und es erträgt, derselbe ist, der es ertrug, dass sie ihn kreuzigten.
13. Wenn der Gerechte, als sie ihn lästerten, sie bestraft hätte, so würde er in seiner Gerechtigkeit sie mit Recht angeklagt haben, aber Unwissenden hätte es geschienen, daß sie nur klugerweise sich vor ihm fürchten sollten. Wenn er jene peinigte, die ihn als hart hinstellen, machte er nur ihre Aussage über ihn wahr; nun aber bedeckte er jene mit Schamröte, weil seine Güte seinen Anklägern entgegenkam.
