4. 1
Nach derselben Melodie.
1. S. 19 In den Gerechten hat man ein Bild von Schatzmeistern gesehen, denn sie haben die Schätze der [göttlichen] Majestät der Menschheit eröffnet, sie waren gleichsam Verwalter über die geschaffenen Dinge. Moses gebot dem Meere, und es gehorchte, denn nicht als einen leeren [kraftlosen] Namen wandte er den [Namen] Gottes an, und zugleich mit dem Wort ging die Tat hervor.
Kehrvers: Preis sei dem, dessen Propheten die Chaldäer beschämten!
2. Er wies die Irrenden zurecht, die die Geschöpfe verehrten, denn es hielt [sie] der große Moses von den Geschöpfen zurück, damit die Toren durch ihn erkennen möchten, wie erhaben sie selbst seien, dass sie ihren freien Willen schändeten und erniedrigten vor ihren Götzenbildern; er nahm durch seine Werke von ihnen, die sich selbst geblendet hatten, die Binde hinweg!
3. Einer von ihnen versperrte den Weg vor der Sonne, und sie wandte sich entgegen ihrer Natur, um den Büßenden zu zeigen, wieviel das Weinen vermag, wie mächtig das Gebet sei. Da die Sonne ihren Lauf rückwärts wandte, sah Babel die Wundermacht, die seine Götzen beschämte, und pries den wahren Glauben des Ezechias durch seine Geschenke 2.
4. S. 20 Ein anderer von ihnen streckte seine Hand aus, und auf sein Gebet hin hielt er die beiden Himmelsleuchten in ihrem Laufe auf; die Scheidewand der Finsternis zwischen zwei Tagen nahm er hinweg, sie vermischten sich und wurden ein Tag 3. Durch sein Fleisch [Menschwerdung] riß unser Herr die Scheidewand des Streites nieder, und die beiden, die sich [vorher] bekämpften, wurden eins 4.
5. Erschütterung entstand auf Erden und Unruhe auf der Welt, es erzitterte das Heidentum, es schrie auf das Magiertum. Auch der Blinde mochte da wohl sein Haupt zum Himmel emporrichten, jedermann erhob seine Augen und stand auf. Die Schöpfung stand ganz still und sah zwei Tage lang die Verdemütigung der Himmelsleuchten, die sonst verehrt, nun aber bloßgestellt waren.
6. Lasset uns die Torheit belehren, daß nur auf dem einen ihre Hoffnung beruhen wird, und daß sie den vielen absagen soll, denn nichts vermochten die Sieben 5 gegen die Macht des einen Mannes! Wenn nun die Toren sagen, daß auch dieser unter dem Fatum stand, wie konnte er da das Fatum in allen Himmelsgegenden hemmen und binden? Da Sonne und Mond unterlagen, konnte auch kein Stern etwas ausrichten.
7. Und wie sie sagen, hat die Sonne von allen die größte Macht, und nach ihr der Mond von allen die geringste: er hat die Starke gefesselt und den Schwachen aufgehalten. Beschämt wurden alle [Astrologen], weil die [beiden Gestirne] unter lagen und ihre Bindungen 6 [Konstellationen?] ohne Erfolg [Bestätigung] blieben. Gebet überwand sie, S. 21 so daß sie ihnen nicht helfen konnten; wem können sie da noch nützen?
8. Wie konnten nun an jenem Tage die Toren die Stunden einteilen 7 durch die Sonne, die nicht lief? Die Kinder jenes Tages [die an jenem Tage geboren wurden] gaben das Horoskop dem Spotte preis, denn das Los [die Nativität] ihrer aller war dasselbe, so daß entweder alle Sklaven oder alle Könige hätten werden müssen; daß dieses aber nicht eintrat, dafür liefert die Natur den Nachweis.
9. Die Frauen der Hebräer von damals bezeugen es, daß nicht alle an jenem Tage Könige gebaren und nicht alle Sklaven, denn keiner hat damals die Krone getragen, bis auf den gläubigen David. Auch konnte das Fatum die Verheißung nicht hinfällig machen, daß seine Söhne einer dem andern der Reihe nach die Krone überlieferten.
10. Das Persien der Chaldäer widerlegt die Chaldäer, denn seine Krone blieb ungestört, um in Unordnung weiter zu regieren; König und Königssohn folgten einander der Reihe nach, das Fatum wird durch seine [eigenen] Verkündiger widerlegt; ihre [der Könige] Reihenfolge zeigt, daß es ein [bloßer] Name ist ohne Kraft, da es nicht imstande ist, Unordnung über sie zu bringen.
11. Die Sonne stand an jenem Tage im Zenith und verteilt, wie man sagt, in solchem Augenblicke Kronen; betrachte nun, wieviel schwangere Frauen [damals] in einer Stadt niederkamen, und doch findet man nicht, daß es geschah, daß alle an dem einen Tage in einer Stadt Könige wurden; das bezeugt durch das Schwert die Eifersucht [der Argwohn] des Herodes.
12. Wenn nun jener Tag, der die Nativität [das Horoskop] gleichmachte, einzig ein unglückbringender gewesen wäre, warum war er glückbringend für die Hebräer, und wenn er ein glückbringender gewesen wäre, warum war er ein unglückbringender für S. 22 die Hethäer? Damals wurde das Fatum beschämt in allem, was sich änderte, da es nicht die Kronen vermehrte in jener Zeit; Josue nahm dreißig Kronen weg zu seiner [des Fatums] Beschämung.
13. Und wenn seine ganze zwiespältige und unwahre Gleichheit ihm [dem Fatum] entgegen ist, dann widerlegt sie es völlig; und sehr töricht ist, wer seiner Zwiespältigkeit Glauben schenkt. Kann etwas einheitlich sein, das in sich selbst gespalten ist, so daß durch dasselbe die einen Städte zerstört, die andern erhalten bleiben? Gebet bindet und löst, denn seine Kraft zerstört und macht lebendig.
14. Es ließ an jenem Tage die Natur in gleicher Weise gebären, der Wille des Herrn des Alls aber machte einen Unterschied zwischen der Frau auf dem [vornehmen] Lager und der Magd im Schmutz; und es vermochte das gleiche Fatum nicht, die Unterschiede auszugleichen, die der Ordner des Alls gemacht hat, der zu unserm Heile die Feuer für unsere Prüfung zahlreich werden ließ.
15. Auch kann das Fatum nicht das Kind zum Sünder machen, denn auch für den [Vernunft-Geschlechts-?] Gebrauch ist es der Natur nach noch ein unmündiges Kind; und ebensowenig wie das Fatum seiner Unmündigkeit ein Ziel setzen kann, ebenso wenig sind auch die Sterne schuld an den Regungen des Jünglingsalters; denn auch ohne Fatum zeigt sein Wachstum an, daß die Zeit seines [Vernunft-Geschlechts-?] Gebrauchs gekommen ist.
16. Sie übergehen mit Stillschweigen die Gerechtigkeit, die Quelle der Vorzüge [Tugenden] und predigen die Unordnung, die Ursache der Laster; diese [die Unordnung] verweichlicht die Starken, jene [die Gerechtigkeit] stärkt die Verweichlichten 8. Das Fatum hat der Welt die Hoffnung abgeschnitten; es ist eine Erfindung Satans, die er zu unserm Untergang S. 23 erfand, indem er den freien Willen glauben machte, er sei ein Sklave der Gestirne.
17. Zwei Tage lang fesselte er den Lauf der Gestirne. Und wie haben sie in jener Zeitspanne die Nativität zugeteilt? Es gerieten nämlich ihre Beobachter in Erstaunen, da er die Wandelsterne aufhielt, denn vor [bei] ihrem Beobachten leuchteten sie auf. Er hatte ihren Lauf gehemmt, um den Sinn zu verwirren und ihnen zu zeigen, daß die verborgenen Dinge nur dem einen allein enthüllt seien.
18. Für die Dauer von zwei Tagen hielt er den Lauf der zwei Leuchten auf, damit durch den Mund zweier [Zeugen] bestätigt würde 9, daß einer ist, der alles leitet durch seinen geliebten Sohn, der in der Höhe bei seinem Vater verborgen ist; Jesus – der Name deutet es an – 10 leitete die Kriege, und der Herr jenes Namens regierte die Sterne 11.
19. Wie haben sich die Eitlen [wie eine Flut] ergossen und leichtsinnige Menschen mit sich fortgerissen! Wie haben die Toren, die im Irrtum lebten, törichte Weiber mit in den Irrtum hineingezogen! Bettelnd irrten sie nämlich umher und gaben Schicksalslose für deren Kinder. Und wenn ihr [der Sterne] Lauf, da er ihn band, nichts vermochte, und als er gelöst wurde, seine Bahn fortsetzte, wer kann da mit seinem Verstande ihren Lauf erfassen?
Der Text der römischen Ausgabe ist infolge der schlechten Erhaltung der Hs besonders in Str. 2, 3, 6, 12, 16 und 19 teilweise frei von den Herausgebern ergänzt worden; die Londoner Hs, aus der die Übersetzung hier gemacht wurde, stellt den ursprünglichen Text wieder her. – P. Zingerle hat in der früheren Auflage der BKV im 2. Ephräm-Bande S. 231 – 33 die Strophen 1 – 7 übersetzt, nachdem er eine noch kürzere Probe bereits im 5. Bande der Innsbrucker Ausgabe S. 302 f. gegeben hatte. ↩
Is. 38 u. 39,1. ↩
Jos. 10,12 – 14. ↩
Es ist wohl auf Eph. 2,14 f. angespielt; ich korrigiere mit der römischen Ausgabe das nĕhar[u] [sie leuchteten] der beiden Hss in ahar[u] [sie bekämpften]. ↩
Die Planeten. ↩
Statt „ihre Götzenbilder“ [phětakraihôn] der vatikanischen Hs hat die Londoner phěkaraihón „ihre Bindungen“ [Konstellationen?] ↩
Für die Herstellung des Horoskops. ↩
Wortspiel; statt des Wortes hassē der römischen Ausgabe ist haisē zu lesen. ↩
Vgl. Matth. 18,16 bzw. 2 Kor. 13,1. ↩
Parallele zwischen Jesus und Josue, deren Namen im Syrischen gleich geschrieben werden. ↩
Statt „Sterne“ hat die vatikanische Hs „Cherubim“ infolge einer Verschreibung des ähnlich aussehenden syrischen Wortes. ↩
