53.
Nach der Melodie 1: Herde des Bardaisan.
1. Auch ich, meine Brüder, glaubte stets an ein Wesen, und ich weiß nur, daß eins ist, da seine Natur völlig S. 181 unerforschlich bleibt, wie sie nämlich beschaffen sei. Wenn ein Mensch auch zehntausend Jahre grübelte um durch sein Forschen mehr zu finden, so wird er doch nur dieses allein finden, daß er [Gott] existiert, mehr aber nicht.
Kehrvers: Preis sei dem einen Wesen durch seinen geliebten Sohn.
2. Über unsere Brüder, die Leugner, von unserem Stamme aus Adam und unserem Geschlecht aus Eva wundere ich mich, wieviel Genossen sie dem wahren Wesen geben. Denn während wir eine gleiche Abstammung vom Staube durch Adam haben, haben wir einen Vater des Lebens, wodurch sich unser Geschlecht von der Gesamtheit der Leugner unterscheidet.
3. Ihr Geschwätz vor euch zu wiederholen, ist zwar schädlich, da ein gesundes Ohr bei ihrem Reden Schmerz empfindet; denn euer Gehör ist ein Weg für die Stimme der Wahrheit, die nach ihrem Eintritt die Tore eurer Ohren versiegelte, die es nicht duldet, daß der Trug in ihr Lager eintrete.
4. Doch zwingt euch gewaltsam die Liebe, meine Brüder, daß ihr die Wiederholung ihrer Worte ertraget: von den Wesen [Äonen], den hindernden [feindlichen Prinzipien], den Sternen und Tierkreiszeichen, von dem Körper, der vom Bösen sei, daß es keine Auferstehung gäbe, daß die Seele von den Sieben sei, und das übrige, um nicht zu weitläufig zu sein.
5. Er 2 dichtete nämlich Hymnen und setzte sie in Musik; auch verfaßte er Psalmen und führte Versmaße 3 ein; nach Maß und Schwere verteilte er die Worte und bot den Harmlosen Gift in süßer Speise dar, Kranken, die die gesunde Speise ablehnten.
6. S. 182 Auf David [als sein Vorbild] wollte er schauen um sich mit seiner Schönheit zu schmücken und durch seine Nachahmung Lob zu ernten. Auch er dichtete 150 Psalmen, aber von seiner Wahrheit wich er ab, meine Brüder, und ahmte nur die Zahl nach; denn David sang nicht den Gesang der Ungläubigen, deren Harfenspiel Lüge ist.
7. David nennt nicht „Wesen“, was jener [Bardaisan] so nennt, denn es ist nur ein Wesen. Die Nennung des [einen] Wesens macht also die Namen der „Wesen“ zunichte, die doch gar nicht existieren; denn wenn ihre Namen gleich sind, müssten auch ihre Naturen gleich sein. Durch sich selbst wird also ihre Lehre geschlagen, meine Brüder.
8. Sehet nur, wie sehr er sich fürchtete, die Naturen der „Wesen“, die er so nannte, gleichzumachen, damit sichtbar werde, wie vermessen er handelte, da er ihre Namen gleichmachte. In beiden Fällen liegt eine Gefahr für die Partei der Vernünftler, denn wie es sich nicht ziemt, die Naturen gleichzumachen, so auch nicht die Namen.
9. Der Irrtum hat seinen Verkündern keine Gelegenheit gegeben, zu prüfen und zu sehen, ob die „Wesen“ geschaffen sind. Sie haben alle einen Namen, und so müßte auch an und für sich ihre Natur eine sein. Es gibt aber nur ein Wesen, das in allem vollkommen [übereinstimmend] ist, im Namen und in der Natur 4.
10. Alle gemachten Dinge, meine Brüder, sind Geschöpfe, und obwohl ihr Name gleich ist, sind doch ihre Naturen verschieden, und zwar nach dem Willen des Schöpfers. Wenn nun die „Wesen„ nicht vom Schöpfer verursacht sind, wer hat wohl unterschieden und gleichgemacht: ihre Naturen unterschieden und ihren Namen gleichgemacht?
11. Moses bezeugt uns, denn keinen andern benannte er mit dem Namen „Wesenheit“. „Götter“ wurden sie S. 183 [die Götzen der Heiden] genannt, aber sie wurden nicht „Wesen“ genannt, damit wir durch den einen Namen den Begriff seiner Güte erfassen, und in dem andern Namen die Kraft seiner Wesenheit kennenlernen und beide gläubig bekennen.
12. Dem Moses offenbarte er seinen Namen: Ehejeh 5 nannte er sich, denn das ist der Name der „Wesenheit“, und niemals nannte er mit diesem Namen einen andern, während er mit seinen [anderen] Namen [z. B. Alláhâ] die vielen bezeichnen ließ, damit er durch [diesen] einen Namen, den er sich vor behielt, zu erkennen gäbe, daß er allein das Wesen sei und kein anderes existiere.
13. Obwohl alle seine Namen herrlich sind durch seine Majestät und gleich sind an Glorie, um diesen Namen, den er der Ehre seiner Wesenheit vorbehalten hatte, beneidete ihn doch der Böse, und er reizte die Leugner an, daß sie die Namen von „Wesen“ aufbrächten; Schnitzbilder hängte er an seinen Namen und „Wesen“ an seine Benennung.
Melodie und Metrum wie bei Hymnus 14. ↩
Bardaisan ↩
Bei „Versmaß“, „Maß und Schwere“ kann man mit Dom J. Jeannin O.S.B. [Mélodies liturgiques I Paris 1924 S. 66] an eine feste Terminologie denken: Versmaß wäre die Verszeile, die eine bestimmte Anzahl von Silben aufweist, Maß [Kîlâ] die Abschnitte einer Verszeile und Gewicht [matqalâ] die betonten Silben. ↩
Die 9. Strophe ist in der römischen Ausgabe durch Erläuterungen des Herausgebers erweitert, die sich in der Hs nicht finden. ↩
„Ich bin, der ich bin“ Exod. 3,11. ↩
