17.
Wie es nämlich üblich ist bei der Darstellung göttlicher Heilsgeheimnisse in den heiligen Schriften, dass derselbe Mensch einmal die, einmal eine andere Rolle übernimmt, um irgend eine Heilswirklichkeit zu versinnbildlichen, so nahm Moses hier die Rolle des dem Gesetz unterworfenen Jüdischen Volkes ein, und stellte dieses Volk in einer prophetischen Ankündigung modellhaft dar. Wie also Moses, als er mit seinem Stab gegen den Fels schlug (cf. Num. 20,7 ff.), an der Kraft Gottes zweifelte, so glaubte auch jenes Volk, welches dem durch Moses überreichten Gesetz unterworfen war, nicht daran, dass Christus die Kraft Gottes sei (cf. I Kor. 1,24), als es ihn ans Kreuzesholz schlug. Doch wie der Fels, nachdem Moses auf ihn geschlagen hatte, Wasser für die Dürstenden ausströmen liess, so ist die Wunde, die der Herr bei seinem Leiden empfing, den Glaubenden zum Leben geworden. Wir besitzen nämlich zu dieser Frage das sehr deutliche und verlässliche Wort des Apostels, der, als er auf jene Stelle (num. 20,7 ff.) zu sprechen kam, sagte (I Kor. 10,4): Der Fels aber war Christus. Indem also Gott den fleischlichen Tod des Moses auf der Bergeshöhe eintreten lässt (cf. Deut. 34,5), lässt er jenen fleischlichen Zweifel an der Gottheit Christi (cf. Mt. 14,30) in der Erhöhung eben dieses Christus sterben. Denn wie Christus der Fels ist, so ist Christus auch der Berg: der Fels ist die Stärke, die sich herablässt, der Berg ist die Grösse, die herausragt. Wie nämlich der Apostel sagt (I Kor. 10,4): Der Fels war Christus, so sagt der Herr selber (Mt. 5,14): Eine Stadt, die auf dem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben, wobei er natürlich sich selber als den Berg, jene aber, die an ihn glauben, die ihr Fundament im Ruhme seines Namens haben, als die Stadt bezeichnet. Die Klugheit des Fleisches lebt, solange Christus in seiner Selbsterniedrigung, gleichsam als jener Fels, an den geschlagen wird, am Kreuz der Verachtung preisgegeben ist; denn der gekreuzigte Christus ist den Juden ein Ärgernis, den Heiden aber eine Torheit (cf. I Kor. 1,23). Und die Klugheit des Fleisches stirbt, sobald Christus in seiner Erhöhung, gleichsam als der herausragende Berg, sichtbar wird. Denn für die Berufenen unter den Juden und Griechen ist Christus die Kraft Gottes und die Weisheit Gottes (ib. 1,24). Moses stieg also auf den Berg (cf. Deut. 34), um von dort nach seinem fleischlichen Tod mit lebendigem Geist bei den Seinen aufgenommen zu werden; Faustus dagegen war hier unten geblieben, um hier nach seinem geistigen Tod weiterhin seine fleischlichen Verleumdungen im Mund zu führen. War es nicht die Klugheit des Fleisches, die Petrus darüber erschaudern liess, dass eben dieser Fels durchbohrt würde, als er zu seinem Herrn, der ihm sein Leiden ankündigte, sagte (Mt. 16,22): Das soll Gott verhüten, Herr; das darf nicht geschehen; er möge dir gnädig sein? Denn der Herr ging nicht schonend um mit dieser Sünde, als er darauf antwortete (ib. 23; Mk. 8,33): Weg mit dir, Satan, du bist mir ein Ärgernis; denn du hast nicht im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Und wo anders ist diese fleischliche Kleingläubigkeit gestorben wenn nicht bei der Verherrlichung Christi, gleichsam auf der Höhe des Berges? Denn sie war jedenfalls lebendig, als ihn Petrus voller Angst leugnete (cf. Mt. 26,69 ff.), und sie war jedenfalls tot, als er ihn unbefangen verkündete (cf. Apg. 2,14 ff.). Sie lebte in Saulus, als er voller Abscheu über das Ärgernis des Kreuzes gegen den christlichen Glauben wütete (cf. Ib. 8,3), und wo anders als auf jenem Berg war sie gestorben, als dieser, nun schon Paulus, sagte (Gal. 2,20): Nicht mehr ich lebe, in mir lebt vielmehr Christus?
