26.
Ich komme nun zu jener Argumentation, bei der ich nicht so recht weiss, ob ich sie als Höhepunkt des Schwachsinn oder der Sophisterei bezeichnen soll; aber Faustus besass ja Scharfsinn, weshalb ich eher vermute, dass er den wenig aufmerksamen Leser einnebeln wollte, als dass er nicht selber gesehen hätte, was ich nun vortragen werde. Er sagte da nämlich (444,6): Wenn er aber diese Worte überhaupt nicht im Hinblick auf Christus geschrieben hat, könnt ihr entweder andere Belege vorweisen, oder aber es gibt gar keine. Dieser Syllogismus ist richtig, aber der nächste Schritt wäre nun gewesen, erstens zu zeigen, dass diese Worte keineswegs im Hinblick auf Christus geschrieben waren, zweitens, dass sich keine anderen Belege finden lassen. Keines von beidem hat Faustus zustandegebracht, während wir unsererseits sowohl zeigen konnten, wie sich diese Stellen (deut. 13,6; 21,23; 18,15. 18; 28,66) auf Christus hin deuten lassen, als auch weiter oben eine Reihe weiterer Belege nachwiesen, die nur auf Christus hin interpretiert werden können. Deine Schlussfolgerung, guter Faustus, dass nichts von dem, was Moses geschrieben habe, auf Christus hinweise, ist also völlig unbegründet! Achte einmal genau auf deinen Wortlaut (444,6): Wenn er aber diese Worte überhaupt nicht im Hinblick auf Christus geschrieben hat, werdet ihr entweder andere Belege vorweisen können, oder aber es gibt gar keine. Es ist richtig, was du sagst. Da wir nun aber sowohl zeigen konnten, dass die besprochenen Passagen (deut. 13,6; 21,23; 18,15. 18; 28,66) im Blick auf Christus oder wegen Christus geschrieben wurden, zudem noch viele andere Belege vorwiesen, wird deine Schlussfolgerung ziemlich wertlos sein. Nun hast du bei den Stellen, die du anführtest, wenigstens den Nachweis versucht – der allerdings misslungen ist –, dass sie nicht im Hinblick auf Christus geschrieben sind. Wenn du dann aber zufügtest (444,6): Ihr werdet entweder andere Belege vorweisen können, oder aber es gibt gar keine, hättest du zuerst zeigen müssen, dass wir gar nicht imstande sind, andere Belege vorzuweisen, um erst danach unbekümmert zu behaupten, dass es gar keine gibt. Nun bist du aber, als ob du für dein Schriftchen nur taube Hörer und blinde Leser erwartetet hättest, sodass keiner deinen Gedankensprung bemerken würde, gleich mit den Worten losgestürmt (444,7): Wenn es nun aber keine gibt, konnte auch Christus nicht bestätigen, was es nirgends gibt; wenn aber Christus das überhaupt nicht bestätigt hat, ergibt sich der zwingende Schluss, dass jene Schriftstelle gefälscht ist. Ach dieser Mensch, sich selbst hält er für einen grossen Redner, den andern aber nimmt er nicht ernst als Gegenredner! Wo ist dein Scharfsinn geblieben? Oder könntest du gar nicht anders reden, weil deine Position so schwach ist? Nun gut, deine schwache Position hat dich gezwungen, so zu argumentieren, doch hat dich niemand gezwungen, diese schwache Position zu vertreten! Was ist nun also, wenn wir andere Belege vorweisen können? Dann wird jedenfalls die Behauptung, dass es keine gibt, falsch sein, da es ja solche gibt. Und wenn es solche gibt, konnte Christus auch bestätigen, was tatsächlich vorhanden ist. Wenn Christus das aber bestätigen konnte, dann ergibt sich daraus, dass jene Stelle aus dem Evangelium (Joh. 5,46) nicht gefälscht ist. Kehre also zu deiner These zurück, die lautete (444,7): Entweder könnt ihr andere Belege vorweisen, oder aber es gibt gar keine, und nimm zur Kenntnis, dass du überhaupt nicht gezeigt hast, dass wir keine andern Belege vorweisen können. Nimm dann auch zur Kenntnis, wie viele weiteren Belege wir schon oben angeführt haben ( ), und beachte, welcher Schluss sich daraus ziehen lässt, dass nämlich jenes Wort Christi, das wir im Evangelium lesen (Joh. 5,46): Wenn ihr Moses glaubtet, würdet ihr auch mir glauben; jener hat nämlich über mich geschrieben, keine Fälschung ist. Nun ist aber die Autorität des Evangeliums so überragend, seine Wahrheit so gut fundiert, dass wir – selbst wenn wir aufgrund der Trägheit unseres Verstehens keine einzige Stelle auffinden könnten, die Moses im Hinblick auf Christus geschrieben hat – trotzdem daran glauben müssten, dass es solche Stellen gibt, ja dass alles, was Moses schrieb, sich auf Christus bezieht, da er ja nicht sagte: Er schrieb auch über mich, sondern: Er schrieb über mich. Nun aber, da wir in der Schrift des Moses so viele Zeugnisse für Christus entdeckt haben, müsste sich, selbst wenn es, wovor uns Gott bewahre, Zweifel an diesem Kapitel des Evangeliums (Joh. 5,46) geben könnte, jeder Zweifel daran von selbst erledigen; und da man an der Echtheit jenes Kapitels des Evangeliums nicht zweifeln darf, müsste man, selbst wenn wir diese Zeugnisse nicht entdeckt hätten, daran glauben, dass es sie gibt.
