31.
Auch du behauptest ja (445,17), dass Christus die Gleichwertigkeit der Speisen in der Weise gelehrt habe, dass er seinen Jüngern jeglichen Fleischgenuss völlig untersagte, den Weltmenschen dagegen generell alles erlaubte, was essbar ist, und zudem erklärte, ‘dass nichts von dem, was in ihren Mund gelange, sie unrein mache, weil einzig das den Menschen unrein mache, was unbedacht seinem Mund entweiche’ (Mt. 15,11 f.). Die Verlogenheit, mit der du diese Worte hervorholst und wiedergibst, ist besonders unverschämt, weil sie so offensichtlich ist. Wenn nämlich erstens nach der Aussage Christi einzig das Böse den Menschen unrein macht, das seinem Mund entweicht, warum war es denn nicht auch für die Jünger Christi das einzige Übel, das sie unrein machen konnte, sodass er ihnen auch noch den Genuss von Fleisch als etwas Unreinem untersagen musste? Sind es denn nur die Weltmenschen, die nicht unrein werden durch das, was in ihren Mund gelangt, sondern einzig durch das, was ihrem Mund entweicht (Mt. 15,11 f.)? Sie wären somit besser gegen Verunreinigung gefeit als die Heiligen, wenn die Heiligen sowohl durch das, was in ihren Mund gelangt, wie auch durch das, was diesen verlässt, besudelt werden können? Sodann möchte ich von den Manichäern wissen, was denn Christus ass und trank, der sich ja im Vergleich zu Johannes, welcher nicht esse und trinke, als jemanden bezeichnete, der isst und trinkt? Denn als er die Verdrehtheit jener Menschen anprangerte, die in beide Richtungen nach verleumderischen Anschuldigungen suchen, sagte er (Mt. 11,8 f.): Johannes ist gekommen, er isst und trinkt nicht, und sie sagen: Er ist von einem Dämon besessen; der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt, und sie sagen: Seht den Fresser und Säufer, den Freund der Zöllner und Sünder. Nun kennen wir aber die Ess- und Trinkgewohnheiten des Johannes; es steht nämlich nicht da, dass er überhaupt nichts trank, sondern dass er keinen Wein oder andern Rauschtrank zu sich nahm (cf. Lk. 1,15), er trank also Wasser. Und auch seine Nahrung bestand nicht aus einer Nulldiät, sondern aus Heuschrecken und wildem Honig (cf. Mt. 3,4). Dass es von ihm heisst, er esse und trinke nicht (Mt. 11,8), besagt somit nur, dass er die Nahrung, welche die Juden zu sich nahmen, verschmähte. Wenn also auch der Herr diese verschmäht hätte, wäre er in jenem Vergleich mit Johannes (Mt. 11,8 f.) nicht als einer, der isst und trinkt, bezeichnet worden. Oder geschah das vielleicht deshalb, weil sich der Herr von Brot und Grüngemüse ernährte, wovon Johannes sich fernhielt? Aber es wäre doch seltsam, wenn man von jemandem, der Heuschrecken und wilden Honig verspeist, sagte, er esse nicht, dagegen von jemandem, der sich mit Brot und Grüngemüse zufrieden gibt, er esse. Nun, über die Speisen mag jeder mutmassen, was er will; sicherlich aber wäre Christus niemals als Trinker und Weinliebhaber (cf. Mt. 11,9) bezeichnet worden, wenn er keinen Wein getrunken hätte. Warum also hält ihr auch den Wein für unrein? Denn diese Dinge anzurühren verbietet ihr ja nicht deshalb, um Enthaltsamkeit und Beherrschung der leiblichen Lüste zu fördern, sondern weil ihr sie für unrein hält. Ihr bezeichnet sie ja als den Unrat und Auswurf des Volks der Finsternis, ganz im Gegensatz zum Apostel, der sagt (Tit. 1,15): Alles ist rein den Reinen. Da habt ihr es: die da zu behaupten wagen, Christus habe die Gleichwertigkeit aller Speisen gelehrt, glauben gleichzeitig, dass er seine eigenen Jünger von dem ferngehalten habe, was sie selber als unrein betrachten! Zeigt uns, wo er diese Speisen seinen Jüngern vorenthalten hat, ihr charakterlosen Betrüger, die ihr aber durch die Vorsehung des strafenden Gottes so verblendet seid, dass ihr uns sogar die Argumente liefert, mit denen ihr widerlegt werden könnt. Mein Geist lässt mir keine Ruhe, bevor ich nicht jene Stelle des Evangeliums, die Faustus gegen Moses ausspielen wollte, hier vollständig zur Überprüfung vorlege, damit wir aus ihr ersehen können, wie falsch das ist, was zuerst Adimantus (477,23; c.Adim. 15,2) und in seinem Gefolge Faustus (445,17) sagte, dass der Herr Jesus seine Jünger vom Fleischgenuss abgehalten, ihn aber den Weltmenschen generell erlaubt habe. Nachdem nämlich Jesus auf den Vorwurf der Pharisäer, dass seine Jünger mit ungewaschenen Händen ässen, geantwortet hatte (cf. Mt. 15,3 ff.), fährt das Evangelium mit folgenden Worten fort (ib. 10 ff.): Und er rief das Volk zu sich und sage zu ihm: Hört und begreift! Nicht das, was zum Mund hineingeht, macht den Menschen gemein, sondern was aus dem Mund herauskommt macht den Menschen gemein. Da kamen seine Jünger heran und sagten zu ihm: Weißt du, dass die Pharisäer über dein Wort empört sind? Hier hätte doch Jesus seine Jünger, da er von ihnen darauf angesprochen wurde, gewiss ausdrücklich belehren müssen – so wie die Manichäer das gern sehen würden –, dass sie sich aller fleischlichen Nahrung zu enthalten hätten, damit klar würde, dass jener Satz, den er vorher gesagt hatte (ib. 11): Nicht das, was zum Mund hineingeht, sondern was aus dem Mund herauskommt macht den Menschen gemein, ausschliesslich an das Volk gerichtet war. Der Evangelist möge also weiterfahren und sagen, was der Herr dann – nun nicht mehr dem Volk, sondern seinen Jüngern – geantwortet hat (ib. 13 f.): Jener aber antwortete und sagte: Jede Pflanze, die nicht mein himmlischer Vater gepflanzt hat, wird ausgerissen werden. Lasst sie, sie sind blinde Blindenführer. Und wenn ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in eine Grube fallen. Das sagte er natürlich, weil die Juden, da sie ihre eigenen Überlieferungen aufrechterhalten wollten, die Gebote Gottes nicht verstanden. Doch die Jünger hatten ihren Meister noch nicht gefragt, welche Schlüsse sie aus dem, was er dem Volk gesagt hatte, für sich selber ziehen müssten. Und siehe da, auch das kommt noch! Denn der Evangelist fährt fort und sagt (ib. 15): Petrus aber erwiderte darauf: Erkläre uns dieses Gleichnis! Daraus erkennen wir, dass Petrus der Meinung war, der Herr habe nicht im eigentlichen Sinn, nicht im Klartext gesprochen, als er sagte (ib. 10): Nicht das, was zum Mund hineingeht, macht den Menschen gemein, sondern was aus seinem Mund herauskommt, sondern er habe, wie er das immer wieder tat, in der Hülle des Gleichnisses auf irgend etwas hindeuten wollen. Sehen wir also, ob er dann seinen Jüngern auf ihre Frage hin im kleineren Kreis das sagte, was die Manichäer hören möchten, nämlich dass alle Fleischarten unrein seien, und dass sie keine von ihnen anrühren dürften! Nun macht er ihnen aber Vorwürfe, dass sie seine unverhüllte Aussage noch nicht verstanden hätten und für ein Gleichnis hielten, was im eigentlichen Sinn gemeint war! Der Evangelist fährt nämlich so weiter (ib. 16 ff.): Jener aber sagte: Seid auch ihr immer noch ohne Einsicht und begreift ihr nicht, dass alles was zum Mund hineingeht, in den Magen wandert und dann wieder ausgeschieden wird; dass dagegen das, was aus dem Mund herauskommt, aus dem Herzen kommt und den Menschen gemein macht? Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsche Zeugenaussagen, Verleumdungen; das ist es, was den Menschen gemein macht; mit ungewaschenen Händen zu essen macht den Menschen dagegen nicht gemein.
