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Doch selbst Faustus spürt, dass diese Argumentation nicht nur gegen die Heiligkeit des Evangeliums verstösst, sondern zudem schwach und fragwürdig ist, und er legt deshalb sein Augenmerk hauptsächlich auf etwas, was ihn angeblich besonders skeptisch werden lässt, dass er nämlich in der ganzen Schrift des Moses trotz gründlicher Suche keine einzige Prophetie über Christus gefunden habe (442,5). Darauf antworte ich kurz und bündig: weil er sie nicht versteht. Und sollte jemand fragen, warum er sie nicht versteht, werde ich antworten: weil er sie voller Feindseligkeit, weil er sie voller Abneigung liest, weil er nicht unermüdlich sucht, um zum Wissen zu gelangen, sondern bereits zu wissen glaubt, was er nicht weiss. Diese Einbildung, die von Hochmut und Stolz zeugt, verschliesst das Auge deines Herzens, sodass es völlig blind wird, oder aber sie verzerrt seinen Blick, sodass es nur noch verdreht sieht und nicht mehr beurteilen kann, was zu billigen, was abzulehnen ist. Es heisst dann bei Faustus weiter (442,11): Zeige mir, was es in der Schrift des Moses an Hinweisen auf unseren Gott und Herrn gibt, die mir vielleicht bei der Lektüre entgangen sind! Auch darauf will ich dir kurz antworten: Alles ist dir entgangen, denn alles, was Moses geschrieben hat, bezieht sich auf Christus. Da wir aber nicht seine ganze Schrift durchdiskutieren und untersuchen können, werde ich mich im Rahmen dieses Werkes darauf beschränken, mit der Hilfe Gottes und so gut ich es vermag, für dich zu erfüllen, was ich schon oben in Aussicht gestellt habe (449,18), also zeigen, dass genau jene Stellen, die du für deine Kritik auswählst, im Blick auf Christus geschrieben sind. Du bittest mich dann auch noch (442,13), nicht einfach zu sagen, so wie naive Menschen das zu tun pflegen, es müsse für den Glauben genügen, wenn Christus sagte, dass Moses über ihn geschrieben habe. Nun, wenn ich es doch sage, sage ich es nicht als naiver, sondern als gläubiger Mensch. Dass diese Antwort freilich nicht ausreicht, einen Heiden oder Juden zu überzeugen, gebe auch ich zu; dass sie aber euch gegenüber, die ihr euch auf jede erdenkliche Weise mit dem Namen Christi rühmt, recht geeignet und wirkungsvoll ist, das musstest selbst du, wenn auch erst nach langem Widerstreben, eingestehen, indem du sagtest (442,15): Ich möchte nämlich, dass du jetzt den Blick nicht auf mich richtest, der ich mich ja durch mein Bekenntnis zum Glauben verpflichtet habe, sodass mir gar nichts anderes bleibt, als ihm zu glauben, dem ich nachfolge; stell dir vielmehr vor, dass wir uns mit einem Juden oder mit einem Heiden unterhalten! Mit diesen Worten hast du zu erkennen gegeben, dass du mittlerweile, so wie du dich jetzt präsentierst, schon ziemlich davon überzeugt bist – du hast dich ja durch dein Bekenntnis zum Glauben verpflichtet –, dass Moses über Christus geschrieben hat, da Christus selber dies gesagt hat, wie es im Evangelium steht (cf. Joh. 5,46), an dessen herausragender und heiliger Autorität du nicht zu rütteln wagst. Und wenn du einmal einen Angriff von der Seite her wagst, gerätst du, bei deiner kläglichen und hoffnungslosen Position, schnell unter Druck, erkennst dann, welcher Ruin dir droht, wenn man dir entgegenhält, dass du inbezug auf die Taten und Worte Christi für keine Schrift der Welt Glaubwürdigkeit beanspruchen kannst, falls du die Glaubwürdigkeit des so heiligen und weit herum wohlbekannten Evangeliums leugnest, und voller Angst, du könntest das Mäntelchen des Christennamens verlieren und nackt mit eurem leeren Geschwätz dastehen, das bei allen nur Ekel und Abscheu auslöst, versuchst du dann, schon angeschlagen, dich neu zu sammeln, und erklärst nun, dass du dich durch dein Bekenntnis zum Glauben an diese Worte des Evangeliums verpflichte habest. So habe ich dich mittlerweile, wie du dich jetzt präsentierst, fest im Griff, ich zerschlage dich, ich vernichte dich, d.h. natürlich deine Irrlehre und deine Betrugskünste; und ich zwinge dich zum Geständnis, dass Moses über Christus geschrieben hat, da ja im Evangelium zu lesen ist, dass Christus dies gesagt hat, dem zu glauben dich ja dein Bekenntnis verpflichtet. Sollte ich mich aber einmal vor die Notwendigkeit gestellt sehen, mit einem Juden oder Heiden über diese Frage zu diskutieren, so habe ich schon weiter oben (449,18; 454,12) dargelegt, wie ich diese Aufgabe mit meinen bescheidenen Kräften glaube angehen zu müssen.
