29.
Im übrigen würde Christus für diese Sabbatruhe, die ihr töricht und gewissenlos verspottet, gar nicht so ausdrücklich Zeugnis ablegen, wenn sie nicht auf dieselbe Weise zu deuten wäre wie alle andern Prophetien, die auf Christus hinweisen. Er hat ja, da er, wie du selbst zu seinem Lob festgehalten hast ( ), aus eigenem Willen litt, und somit den Zeitablauf für sein Leiden und seine Auferstehung nach eigenem Ermessen gestalten konnte, es so eingerichtet, dass sein Leib sich am Sabbat im Grab von all seinen Werken ausruhte, und dass er dann am dritten Tag, den wir den Tag des Herrn nennen, der zugleich der achte Tag nach dem Sabbat ist, wieder auferstand, womit er deutlich machte, dass auch die Beschneidung am achten Tag (cf. Gen. 17,10) ein prophetischer Hinweis auf Christus ist. Was versinnbildlicht denn die Beschneidung des Fleisches? Doch nichts anderes als die Befreiung von der Sterblichkeit, die wir von der fleischlichen Zeugung her auf uns tragen! Deshalb sagt der Apostel (Kol. 2,15): Sich seines Fleisches entäussernd hat er in Hinsicht auf Fürsten und Gewalten voll gläubiger Zuversicht ein Beispiel gegeben, indem er in seiner eigenen Person über sie triumphierte. Wenn er sagt, Christus habe sich seines Fleisches entäussert, verstehen wir unter dem Fleisch an dieser Stelle die Sterblichkeit des Fleisches; auf sie wird nämlich hingewiesen, wenn unser Körper in treffender Weise als Fleisch bezeichnet wird, da ja das Fleisch in der Unsterblichkeit der Auferstehung nicht mehr da sein wird. Deshalb steht geschrieben (I Kor. 15,50): Fleisch und Blut werden das Reich Gottes nicht besitzen. Auf diese Worte pflegt ihr euch zu berufen, wenn ihr unseren Glauben verunglimpfen wollt, der die künftige Auferstehung unseres irdischen Körpers vertritt, womit ja Gott selber schon vorausgegangen ist. Ihr unterschlagt dabei allerdings die anschliessenden Worte, in denen der Apostel ganz offen darlegt, wie er diese Aussage versteht. Um zu zeigen, was er an jener Stelle als Fleisch bezeichnet hat, fügte er nämlich gleich hinzu (ib. 50): Und die Verweslichkeit wird die Unverweslichkeit nicht besitzen. Nach seinen Worten verwandelt sich also dieser irdische Körper, der wegen seiner Sterblichkeit in treffender Weise als Fleisch bezeichnet wird, bei der Auferstehung, sodass er nachher nicht mehr verweslich und sterblich ist. Damit ihr aber nicht argwöhnt, dass ich mir das selber ausgedacht habe, beachtet die darauf folgenden Worte. Der Apostel sagt da (ib. 51 f.): Seht, ich enthülle ein Geheimnis: zwar werden wir alle auferstehen, aber wir werden nicht alle verwandelt werden – plötzlich, in einem Augenblick, beim letzten Posaunenschall. Denn die Posaune wird erschallen, und die Toten werden zur Unverweslichkeit auferstehen, wir aber werden verwandelt werden; denn dieses Verwesliche muss sich die Unverweslichkeit anziehen, dieses Sterbliche die Unsterblichkeit. Damit also der Körper die Unsterblichkeit anziehen kann, entäussert er sich seiner Sterblichkeit. Dies ist das Heilsgeheimnis der Beschneidung, die nach dem Gesetz am achten Tag stattzufinden hatte (cf. Gen. 17,12), und die am achten Tag, d.h. am Sonntag, nach dem Sabbat vom Herrn in seiner wirklichen Bedeutung erfüllt wurde. Deshalb heisst es (Kol. 2,15): Sich seines Fleisches entäussernd hat er in Hinsicht auf Fürsten und Gewalten ein Beispiel gegeben. Mittels dieser Sterblichkeit haben uns nämlich die hasserfüllten teuflischen Gewalten beherrscht; dass Christus ihnen gegenüber ein Beispiel gegeben hat, will aber besagen, dass er in seiner eigenen Person, die unser Haupt ist (cf. Eph. 1,22), ein Beispiel dargereicht hat, das bei der letzten Auferstehung an seinem ganzen Leib, d.h. der Kirche, die aus der Macht des Teufels befreit werden muss, in Erfüllung gehen wird. Dies ist unser Glaube. Und da ja der aus dem Glauben Gerechte lebt, wie Paulus das Prophetenzeugnis zitiert (Rm. 1,17/ Hab. 2,4), ist dies unsere Rechtfertigung. An den toten Christus glauben ja auch die Heiden; dass Christus aber auferstanden ist, das ist ausschliesslicher Glaube der Christen. Wenn du nämlich mit deinem Mund bekennst, sagt der Apostel (Rm. 10,9), dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen daran glaubst, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet werden. Da also dieser Glaube an die Auferstehung unsere Rechtfertigung ist, gibt es auch noch jenes Wort des Apostels über Christus (Rm. 4,25), dass er gestorben ist wegen unserer Sünden [Jes. 53,5] und auferstanden ist wegen unserer Rechtfertigung. Und weil die Auferstehung, die uns rechtfertigt, wenn wir an sie glauben, durch jene Beschneidung am achten Tag (cf. Gen. 17,12) modellhaft vorgebildet ist, deshalb sagt der Apostel über Abraham, dem sie zuallererst (ib. 10) als Vorschrift anvertraut wurde (Rm. 4,11): Und das Zeichen der Beschneidung empfing er als Siegel der Glaubensgerechtigkeit. Also beschrieb Moses, über den Christus selber sagt (Joh. 5,46): Jener schrieb nämlich über mich, auch jene Beschneidung, wie alle andern prophetischen Modellbilder, im Blick auf Christus. Wenn aber der Herr sagt (Mt. 23,15): Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, ihr zieht übers Meer und das trockene Land, um einen einzigen Menschen für euren Glauben zu gewinnen; und wenn ihr ihn gewonnen habt, macht ihr ihn zum Sohn der Hölle, doppelt so schlimm wie ihr selbst, so sagte er das nicht, weil dieser nun beschnitten wird, sondern weil er ihren Lebenswandel nachahmt, vor dessen Nachahmung Christus die Seinen mit den Worten abzuhalten sucht (Mt. 23,2 f.): Auf dem Stuhl des Moses sitzen nun Schriftgelehrte und Pharisäer: folgt ihren Worten, doch folgt nicht ihren Taten; denn sie reden und tun es nicht. In diesen Worten des Herrn gilt es auf zwei Dinge zu achten, zum einen, welche Ehre da der Lehre des Moses erwiesen wurde, da sogar schlechte Menschen, wenn sie auf dessen Stuhl sassen, gezwungen waren, Gutes zu lehren, zum andern, weshalb der Proselyt zum Sohn der Hölle wird, nämlich nicht dadurch, dass er auf die Worte des Gesetzes hört, die aus dem Mund der Pharisäer kommen, sondern dadurch, dass er ihren Taten nachfolgt. Man hätte also zum Proselyten, als er sich beschneiden liess, das Wort des Paulus sagen können (Rm. 2,25): Die Beschneidung ist nützlich, wenn du das Gesetz befolgst. Da jener aber, indem er das Gesetz nicht befolgte, den Pharisäern nachfolgte, wurde er zum Sohn der Hölle, und zwar, wie ich meine, deshalb doppelt so schlimm wie jene, weil er das zu erfüllen vernachlässigte, was er aus eigenem Willen auf sich genommen hatte; er war ja nicht von Geburt an Jude, sondern freiwillig zum Juden geworden.
