24.
Über die Verfluchung eines jeden, der am Holz hängt (443,20/deut. 21,23), haben wir weiter oben (c.F.XIV) bereits so viel gesagt, wie uns nötig schien. Was sodann die Forderung betrifft, dass ein Prophet oder Volksführer mit dem Tod zu bestrafen sei, der die Söhne Israels dazu verführt, von ihrem Gott sich abzuwenden oder eines seiner Gebote zu missachten (443,21/deut. 13,6), so ist schon aus unseren ausführlichen Darlegungen deutlich genug geworden, dass Moses damit nicht Christus ins Visier nahm, und für den, der die Worte und Taten des Herrn Jesus Christus gründlich und gründlicher in Augenschein nimmt, wird immer klarer werden, dass Christus auch keinen der Juden zum Abfall von ihrem Gott bewegen wollte. Denn der Gott, den Moses ihnen zu lieben und zu verehren befohlen hatte, ist gewiss der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs (cf. Exod. 3,6), den der Herr Jesus Christus genauso lobend erwähnt, und gestützt auf dessen Autorität er die Irrlehre der Sadduzäer, die die Auferstehung leugnen, mit folgenden Worten widerlegt (Mt. 22,31 f.; cf. Lk. 20,37 f.): Habt ihr im übrigen nicht gelesen, was Gott aus dem Dornbusch dem Moses über die Auferstehung der Toten gesagt hat: ‘Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs’? Er ist doch nicht der Gott der Toten, sondern der Gott der Lebenden; denn für ihn sind alle lebendig. Da trifft es sich gut, dass sich die Manichäer heute mit der selben Aussage widerlegen lassen, mit der damals auch die Sadduzäer widerlegt wurden; auch sie leugnen ja, wenn auch in anderer Form, die Auferstehung. Im weitern fügte der Herr, als er den Glauben des Hauptmanns mit folgenden Worten lobte (Mt. 8,10): Wahrlich ich sage euch, einen solchen Glauben habe ich in Israel nicht angetroffen, noch hinzu (ib. 11 f.): Ich sage euch aber, viele werden vom Osten und Westen kommen, und mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tische sitzen; die Kinder des Reiches aber werden in die Finsternis nach draussen gehen. Wenn also Moses, was auch Faustus nicht bestreiten kann, dem Volk Israels keinen andern Gott als den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ans Herz legte, und wenn auch Christus eben diesen Gott anempfiehlt, wie sich aus diesen (Mt. 22,31; 8,10) und weiteren Zeugnissen zweifelsfrei ergibt, hat er keineswegs versucht, jenes Volk zum Abfall von seinem Gott zu bewegen; er hat ihnen vielmehr grad deshalb angedroht, dass sie in die Finsternis nach draussen gehen werden (Mt. 8,12), weil er sah, dass sie sich von ihrem Gott abgewandt hatten, in dessen Reich nach seinen Worten die aus dem ganzen Erdkreis eingeladenen Völker sich zusammen mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische setzen werden (ib. 11), und zwar eben deshalb, weil sie zum Glauben an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs gefunden haben. Daher sagt auch der Apostel (Gal. 3,8): Und da die Schrift vorhersah, dass Gott die Heidenvölker aufgrund des Glaubens gerecht macht, hat sie dem Abraham zum voraus verkündet: ‘In deinem Nachkommen sollen alle Völker den Segen erlangen [gen. 12,3;18,18]’, was natürlich heisst, dass jene im Nachkommen Abrahams den Segen erlangen werden, die dem Glauben Abrahams nachfolgen werden. Christus wollte also die Israeliten nicht dazu bewegen, sich von ihrem Gott abzuwenden, er klagte sie vielmehr an, weil sie sich von ihm abwandten. Wenn nun aber jemand glaubt, der Herr habe irgendeines der Gebote, die durch Moses überreicht wurden, übertreten, so braucht man sich über diese Meinung nicht zu wundern, es war dies ja auch die Meinung der Juden. Er ist aber im Irrtum, weil sich auch die Juden in dieser Frage irrten. Wenn dagegen Faustus ein bestimmtes Gebot nennt, welches der Herr, wie er weismachen will, übertreten haben soll, müssen wir aufzeigen, worin sein Irrtum besteht, so wie wir das weiter oben ( ), wenn es nötig war, bereits getan haben. An dieser Stelle sage ich nur folgendes: Wenn der Herr eines jener Gebote missachtet hätte, hätte er niemals die Juden eben dieses Vergehens beschuldigt. Als diese ihn nämlich böswillig kritisierten, dass seine Jünger mit ungewaschenen Händen ässen und deshalb zwar nicht das Gebot Gottes, wohl aber die Überlieferungen der Väter verletzten, sagte er zu ihnen (Mt. 15,3): Warum aber missachtet dann ihr sogar das Gebot Gottes, um dafür eure eigenen Überlieferungen zu bewahren? Und er zitiert dann wörtlich ein Gebot Gottes, das, wie wir wissen, durch Moses überreicht wurde. In der Fortsetzung sagte er nämlich (ib. 4 ff.): Gott hat nämlich gesagt: ‛Ehre Vater und Mutter![exod. 20,12]’ und: ‘Wer Vater und Mutter verflucht, soll mit dem Tod bestraft werden![exod. 21,17]’. Ihr aber sagt: Wer zu Vater oder Mutter sagt: ‛Jede Weihegabe, die von mir kommt, sei dir zum Nutzen’, braucht seinen Vater nicht mehr zu ehren; damit habt ihr das Wort Gottes um eurer Überlieferung willen ausser Kraft gesetzt. Achtet darauf, wie vieles Christus uns damit in dieser Frage klarstellt: dass er die Juden keineswegs dazu bewegt, von ihrem Gott abzufallen; dass er nicht nur selber Gottes Gebote niemals übertritt, sondern im Gegenteil jene, die sie übertreten, anklagt; und dass es niemand anders als Gott selber ist, der uns diese Gebote durch Moses überreicht hat.
