2.
Augustinus antwortete: Nun hören wir aber in euren Disputationen immer wieder von zwei Göttern, was du ja auch nach anfänglichem Leugnen (568,11) wenig später selber zugegeben hast (569,11), wobei du eure Aussage fadenscheinig damit begründet hast, dass auch der Apostel gesagt habe (II Kor. 4,4): Der Gott dieser Welt verblendete den Sinn der Ungläubigen. Diesen Satz gliedern allerdings die meisten unserer Interpreten in der Weise, dass damit ausgesagt wird, der wahre Gott habe den Sinn der Ungläubigen verblendet. Sie fügen nämlich beim Lesen nach den Worten bei ihnen hat Gott eine Sprechpause ein und fahren dann weiter: den Sinn der Ungläubigen dieser Welt verblendet. Auch wenn man den Satz nicht in dieser Weise gliedert, dafür aber zur Verdeutlichung der Aussage die Wortstellung folgendermassen verändert: Bei ihnen verblendete Gott den Sinn der Ungläubigen dieser Welt, tritt derselbe Sinn zu Tage, wie wenn jene Sprechpause gemacht wird. In der Tat kann eine solche Handlung, durch die der Sinn der Ungläubigen verblendet wird, bei entsprechender Deutung auch dem wahren Gott zugeschrieben werden, weil er sie ja nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Gerechtigkeit ausführt. So sagt derselbe Paulus an anderer Stelle (Rm. 3,5): Ist Gott denn nicht ungerecht, wenn er seinen Zorn walten lässt? Ebenso sagt er an einer weiteren Stelle (Rm. 9,14 f.): Was werden wir nun sagen? Gibt es etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Fern sei der Gedanke! Er sagt ja zu Moses [exod. 33,19]: ‛Ich werde mich dessen erbarmen, mit dem ich Erbarmen habe, und ich werde Mitleid schenken, mit dem ich Mitleid habe’. Achte nun darauf, was Paulus kurz nachher sagt, nachdem er also vorausgeschickt hatte, – woran unerschütterlich festzuhalten ist –, dass es bei Gott keine Ungerechtigkeit gibt (Rm. 9,22 f.): Wenn nun aber Gott seinen Zorn zeigen und seine Macht erweisen wollte und deshalb die Gefässe des Zorns, die zur Vernichtung bestimmt sind, mit grosser Langmut ertragen hat, und wenn er die Absicht hatte, den Reichtum seiner Herrlichkeit mittels der Gefässe des Erbarmens, die er für die Herrlichkeit vorgesehen hat, bekannt zu machen usw.! Sicherlich wäre es völlig sinnlos zu behaupten, dass hier ein anderer Gott gemeint ist, der mittels der Gefässe, die zur Vernichtung bestimmt sind, seinen Zorn zeigt und seine Macht kundtut, ein anderer, der mittels der Gefässe des Erbarmens seinen Reichtum vorweist. Dass nämlich ein und derselbe Gott beides tut, bezeugt die Lehre des Apostels. In diesen Zusammenhang gehört auch folgende Stelle (Rm. 1,24): Darum lieferte Gott sie den Begierden ihres Herzens, der Unreinheit aus, sodass sie ihren Leib durch ihr eigenes Tun entehren. Und wenig später (ib. 1,26): Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus. Und nochmals ein wenig später (ib. 1,28): Und da sie die Erkenntnis Gottes verwarfen, lieferte sie Gott einem verworfenen Denken aus. Da sehen wir, wie der wahre und gerechte Gott den Sinn der Ungläubigen verblendet. Denn niemals wurden diese von mir zitierten Worte des Apostels auf einen andern Gott hin gedeutet als auf jenen, der seinen Sohn sandte, welcher sagte (Joh. 9,39): Um zu richten bin ich in diese Welt gekommen, damit die Blinden sehen und die Sehenden blind werden. Auch hier ist ja für den Sinn der Gläubigen klar ersichtlich, wie Gott den Sinn der Ungläubigen verblendet. Es liegt da freilich ein Geheimnis vor, das tiefer ist als alle Geheimnisse, wie Gott seinen durch und durch gerechten richterlichen Entscheid trifft, durch den der Sinn der einen verblendet, der andern erleuchtet wird. Ganz richtig wurde zu ihm gesagt (Ps. 35,7): Deine Urteile sind ein unermesslicher Abgrund. Voller Bewunderung für die unergründliche Tiefe dieses Abgrundes ruft der Apostel aus (Rm. 11,33): O Tiefe des Reichtums Gottes an Weisheit und Erkenntnis; wie unerforschlich sind seine Urteile, usw.
