10.
Die Manichäer mögen also erklären, ob denn die Lebewesen, welche ihren phantastischen Erzählungen zufolge durch die Hyle im Volk der Finsternis geschaffen worden waren, bevor ihnen Gott sein Licht beimischte, jene Harmonie der Glieder nicht besassen, die der Apostel so lobend beschreibt (cf. I Kor. 12,14 ff.), und ob dort das Haupt zu den Füssen oder das Auge zur Hand sagten (cf. Ib. 21): Ich brauche dich nicht. Niemals haben sie dies gesagt, und sie hätten es gar nicht sagen können. Denn die Manichäer schreiben ihnen Handlungen und Leistungen folgender Art zu: sie krochen, gingen, schwammen, flogen, ein jedes entsprechend seiner Art; ebenso sahen und hörten sie und benutzten die übrigen Sinne, und sie ernährten ihren Leib und hielten ihn gesund mit geeigneten Speisen und Diäten. Dadurch waren sie auch zeugungsfähig; denn sogar die geschlechtliche Vereinigung billigen sie ihnen zu. All diese Leistungen, die Mani abschätzig als Werk der Hyle bezeichnet, sind gewiss undenkbar ohne die Harmonie der Glieder, die vom Apostel gepriesen und Gott zugeschrieben wird. Zweifelt ihr noch, wem von beiden nachzufolgen, welcher zu verfluchen ist? Und was erst, wenn es da bestimmte Wesen gab, die auch noch sprechen konnten, sodass ihnen, wenn sie vor versammelter Menge redeten, sämtliche kriechenden, vierfüssigen, fliegenden und schwimmenden Lebewesen zuhörten, sie verstanden, ihnen Beifall spendeten? Welch bewundernswerte, durch und durch göttliche Beredtsamkeit! Und sie hatten keinem Grammatik- und Rhetoriklehrer zugehört, hatten das alles nicht unter Tränen mithilfe von Stock und Rute gelernt. Unser Faustus dagegen machte sich natürlich, spät zwar, daran, die Kunst der Rede zu erlernen, um uns seine Albernheiten mit rhetorischem Glanz vortragen zu können, und er musste sich, obwohl er hochbegabt war, diesen Studien bis zur Erschöpfung hingeben, um bei seinen Reden den Beifall auch nur einiger weniger zu finden. Welch ein Elend für ihn, dass er in diesem Licht hier und nicht in jener Finsternis geboren wurde! Denn dort hätten ihm bei seinen Streitreden, die er gegen das Licht führte, sämtliche Zweifüssler, sämtliche Vielfüssler, sämtliche Kriechtiere vom Drachen bis zur Schnecke bereitwillig zugehört, und sie hätten ihm begeistert Gefolgschaft geleistet. Hier dagegen, wenn er den Disput gegen die Finsternis führte, wurde er von den Hörern häufiger als beredt denn als gelehrt bezeichnet, von vielen aber als schlimmster Verführer. Unter dem Häuflein Manichäer aber, die ihm als grossem Lehrer Beifall spendeten, befand sich kein einziges Stück Vieh, das ihm beifällig zugenickt hätte, und nicht einmal sein Pferd verstand etwas von jener Lehre, als ob die Partikel Gottes, die sämtlichen Lebewesen beigemischt ist, dazu führte, dass sie verdummen. Was soll das alles, frage ich. Wacht endlich auf, ihr Unglückseligen, und vergleicht anhand eurer Fabeldichtung den damaligen Zustand all dieser Lebewesen in ihrem eigenen Land, mit ihrem heutigen in dieser Welt! Damals war ihr Leib widerstandsfähig, heute ist er gebrechlich; damals war ihre Sehkraft stark genug, um eroberungslustig auf das Gebiet Gottes hinüberzublicken, heute ist sie so geschwächt, dass sie die Sonnenstrahlen meiden muss; damals war der Verstand der Lebewesen klar genug, um dem Vortrag eines Diskussionsredners folgen zu können, heute ist er dumpf und hat diese Fähigkeit völlig eingebüsst; damals war die Redekunst von der Natur geschenkt, und sie war gewaltig und einflussreich, heute wird sie mit Mühe und Anstrengung erworben, und man kann sie noch nicht einmal als bescheiden und dürftig bezeichnen. O welch grosse Güter hat das Volk der Finsternis durch die Vermischung mit dem Guten eingebüsst!
