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Wenn also jemand leugnet, dass Gott der Schöpfer dieser Glieder unseres Leibes ist, über die der Apostel so nachdrücklich, so lobend spricht (I Kor. 12,1 ff.), dann seht ihr, wem er damit widerspricht, indem er uns etwas anderes verkündet als was wir empfangen haben (Gal. 1,8). Was brauche ich ihn also zu widerlegen, wo es besser ist, wenn ihn alle Christen verfluchen? Es sagt der Apostel (I Kor. 12,24): Gott hat den Leib als harmonische Einheit geschaffen, jener dagegen sagt: Die Hyle hat es getan, nicht Gott! Was gibt es Offensichtlicheres, als dass ein solcher Widerspruchsgeist eher Verfluchung als Widerlegung verdient? Hat etwa der Apostel auch hier (I Kor. 12,24) dem Wort Gott den Zusatz dieser Welt beigefügt, wie an jener anderen Stelle (II Kor. 4,4), die man, wie wir ja nicht in Abrede stellen wollen, auch so verstehen könnte, dass es der Teufel war, welcher den Sinn der Ungläubigen mit üblen Einflüsterungen verblendet hat (cf. Dagegen 569,23 ff.), wobei dann jene, die ihnen nachgeben, als gerechte Strafe Gottes das Licht der Gerechtigkeit einbüssen. All dies können wir in den Heiligen Schriften lesen. Da findet sich sowohl jenes Wort von der Verführung, die von aussen kommt (II Kor. 11,3): Ich fürchte aber, wie die Schlange mit ihrer Arglist Eva verführte, so könnte auch euer Sinn von der Lauterkeit und Reinheit abkommen, die in Christus ist; – ähnliches sagt eine weitere Stelle (I Kor. 15,33): Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten –, aber auch jenes Wort, das besagt, dass ein jeder auch sein eigener Verführer sein kann (Gal. 6,3): Wer aber glaubt, er sei etwas, obwohl er nichts ist, der verführt sich selber, und jenes Wort von der Strafe Gottes, das ich oben (570,27) zitierte (Rm. 1,28): Gott lieferte jene einem verworfenen Denken aus, sodass sie tun, was sich nicht gehört. So lesen wir auch in den alttestamentlichen Büchern, nachdem der Autor die Worte vorausgeschickt hatte (Sap. 1,13): Gott hat den Tod nicht geschaffen, noch freut er sich über den Untergang der Lebenden, kurz nachher den Satz (Sap. 2,24): Durch den Neid des Teufels trat der Tod in die Welt; hinwiederum sagt der Autor über diesen Tod, damit die Menschen sich selber nicht für schuldlos halten (Sap. 1,16): Die Gottlosen aber holten ihn durch ihre Taten und ihre Worte herbei, und im Glauben, dass er ihr Freund sei, schwanden sie dahin; an anderer Stelle dagegen heisst es (eccl. 11,14): Das Gute und das Böse, das Leben und der Tod, der Reichtum und die Armut, alles kommt von Gott dem Herrn. Menschen, die sich durch diese Aussagen verwirren lassen, erkennen nicht, dass bei ein und derselben schlechten Tat sowohl die Verschlagenheit des Anstifters, als auch die Verdorbenheit des willig Ausführenden, als auch die Gerechtigkeit des Strafenden beteiligt ist, – wobei hier nicht an die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgende Bestrafung, die offensichtlich sein wird, gedacht ist, sondern an die gewissermassen immanent in der Tat enthaltene Bestrafung –. Denn der Teufel flüstert ein, der Mensch sagt ja, Gott zieht sich zurück. Wenn man daher bei einer schlechten, d.h. durch die Ungläubigen aus Verblendung begangenen Tat, wegen seiner arglistigen Einflüsterungen auch den Teufel beteiligt sieht, sodass man also jenen Satz (II Kor. 4,4, cf. 578,20) so gliedert, dass Gott und dieser Welt eine Einheit bilden, scheint mir dies keine absurde Interpretation zu sein. Denn das Wort der Gott steht ja mit einem Zusatz da, indem dieser Welt zugefügt wird, was soviel bedeutet wie der gottlosen Menschen, die nur in dieser Welt Glanz und Ruhm gewinnen wollen. In gleichem Sinn wird diese Welt auch als die böse Welt bezeichnet, so wie es in einem Text heisst (Gal. 1,4): um uns aus der gegenwärtigen bösen Welt zu befreien. Damit vergleichbar ist die Wendung (Phil. 3,19): Deren Gott ist der Bauch. Niemals würde der Apostel ohne dieses Wörtchen deren den Satz aussprechen: Gott ist der Bauch. Und auch die Dämonen könnten in den Psalmen ohne den Zusatz der Heiden nicht als Götter bezeichnet werden; so nämlich lautet die Stelle (Ps. 95,5): Da die Götter der Heiden Dämonen sind. An unserer Stelle aber (I Kor. 12,24) steht weder: der Gott dieser Welt, noch: deren Gott ist der Bauch, noch: die Götter der Heiden sind Dämonen, sondern schlicht und einfach: Gott hat den Leib als harmonische Einheit geschaffen, und unter diesem Gott kann nur der wahre Gott, der Schöpfer aller Dinge, verstanden werden. Denn jene Worte drücken einen Tadel aus, dieses dagegen ein Lob. Aber vielleicht versteht ja Faustus den Satz (I Kor. 12,24) so, dass es nicht die Verteilung der Glieder – also deren Anfertigung und Zusammenbau – war, wodurch Gott den Leib als harmonische Einheit schuf, sondern die Beimischung seines Lichts, dass somit ein zweites Wesen, der Erschaffer des Leibes, diese Glieder in ihrer Vielfalt geformt und ihrem Platz zugewiesen, sie also planmässig verteilt hat, Gott dagegen durch die Beimischung seiner Güte dem mangelhaften Geschöpf zu seiner harmonischen Einheit verholfen hat. Denn mit solchen Fabeleien stumpfen die Manichäer die kindlichen Gemüter ab. Doch auch diese Deutung hat ihnen Gott untersagt, indem er den Kleinen durch den Mund der Heiligen zu Hilfe eilte. Etwas weiter oben liest du nämlich den Satz (I Kor. 12,18): Gott setzte die einzelnen Glieder, jedes für sich, in den Leib ein, wie er es für gut fand. Wer würde diesen Satz nicht so interpretieren, dass Gott deshalb als Baumeister des Leibes bezeichnet wird, weil er diesen Leib aus vielen Gliedern herstellte, die im Gefüge des Gesamtorganismus ihre spezifische Aufgabe erfüllten.
