5.
Wenn ich mir nun jene Werke Gottes auf der untersten Stufe der Schöpfung, die zwar irdisch, unbeständig, vergänglich, aber trotzdem Werke Gottes sind, wie sie sich unserem Auge darbieten näher betrachte, dann empfinde ich unaussprechliche Rührung über das wunderbare Wirken ihres Schöpfers, der in seinen grossen Werken so gewaltig gross ist, ohne in den geringsten weniger gross zu sein. Die göttliche Kunst, durch welche die himmlischen und die irdischen Werke entstehen, bleibt sich nämlich in all diesen Werken, auch wenn sie unter sich selber verschieden sind, gleich, da sie überall vollkommen ist, indem sie jedes Ding in seiner Art zur Vollkommenheit bringt. Sie erschafft zwar nicht in jedem einzelnen Geschöpf die Gesamtschöpfung, da sie aber jedes einzelne Geschöpf auf das Zusammenspiel der Gesamtschöpfung hin erschafft, setzt sie auch bei der Erschaffung des einzelnen Geschöpfs ihre gesamte Kraft ein, indem sie ein jedes so schafft und einrichtet, wie es seinem Platz und seiner Rangordnung entspricht, und einem jeden zuteilt, was seiner Stellung als Einzelwesen und als Glied des Gesamten angemessen ist. Wohlan, schaut euch hier einmal, gleichsam auf der untersten Stufe der gesamten Schöpfung, die Lebewesen an, die da fliegen, schwimmen, laufen und kriechen! Natürlich sind sie sterblich, natürlich ist ihr Leben, wie geschrieben steht (Jak. 4,14), Dampf, der eine kleine Weile sichtbar ist. Und doch bringen sie das kleine Mass, das sie vom Schöpfer in seiner grossen Güte empfangen haben, gleichsam zum gemeinschaftlichen Gebrauch ein, und tragen damit den ihrer Gattung angemessenen Anteil zur Vollendung der Gesamtschöpfung bei, sodass also die Gesamtheit der Geschöpfe, eingeschlossen diese niedrigsten, gut sind, wobei die höheren allerdings besser sind als sie. Schaut doch einmal genau hin und nennt mir ein einziges, noch so niedriges Lebewesen, dessen Seele ihr eigenes Fleisch hasst, es nicht vielmehr nährt und pflegt, mit Lebensenergie versorgt, es lenkt und gewissermassen verwaltet als ihren, der Kleinheit der Art entsprechenden Mikrokosmos, der mit ihr vereinigt ist, damit sie ihn vor Schaden bewahrt. Selbst die vernunftbegabte Seele, die ihren Körper züchtigt und ihn zum Sklaven macht, damit er nicht durch unmässige Gier nach irdischen Dingen die Erkenntnis der Weisheit behindere, selbst sie liebt natürlich ihr Fleisch, das sie sich ganz zurecht gefügig macht und in die Schranken weist. Und schliesslich könnt auch ihr selber, obwohl ihr in eurem fleischlichen Irrglauben das Fleisch verabscheut, nicht anders als euer Fleisch zu lieben, zu seiner Gesundheit und Unversehrtheit Sorge zu tragen, jeden Schlag und jeden Sturz, jede Masslosigkeit, die ihm schaden könnte, zu meiden, euch gegen alles zu schützen und eine gesunde Lebensweise anzustreben, die seinem Wohl dient. Damit zeigt ihr, dass das Gesetz der Natur stärker ist als die eingebildete Wahrheit eurer Irrlehre.
