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Faustus sagte: Gibt es einen Gott oder zwei? Ohne Frage einen. Wie kommt es dann, dass ihr für euch deren zwei geltend macht? In unseren eigenen Aussagen war allerdings niemals von zwei Göttern die Rede. Doch möchte ich gerne von dir wissen, woher du deine Vermutung nimmst. Weil ihr die zwei Prinzipien des Guten und des Bösen lehrt. Es stimmt zwar, dass wir uns zu diesen zwei Prinzipien bekennen, doch das eine von ihnen nennen wir Gott, das andere Hyle oder – um den allgemeinverständlichen und geläufigen Ausdruck zu verwenden - Dämon. Wenn du nun meinst, das bedeute soviel wie zwei Götter, dann könntest du mit gleichem Recht, wenn der Arzt über Krankheit und Gesundheit spricht, diese beiden Ausdrücke für zwei Formen der Gesundheit halten; und du könntest, wenn vom Guten und vom Bösen die Rede ist, darin zwei Formen des Guten erkennen; und wenn du die Ausdrücke Überfluss und Mangel hörst, wirst du sie als zwei Arten des Überflusses verstehen. Und was wäre, wenn ich über die Begriffspaare Weiss-Schwarz, Kalt-Warm, Schmackhaft-Unschmackhaft spräche, und du würdest behaupten, dass ich zwei Arten Weisse, zwei Arten Wärme und zwei Arten Wohlgeschmack vorgestellt habe? Würde man dich nicht für verwirrt und krank im Gehirn halten? Genau so falsch ist dein Schluss, dass ich die Existenz zweier Götter beweisen will, wenn ich die Lehre von den zwei Prinzipien, nämlich von Gott und der Hyle, vertrete. Oder glaubst du etwa, wenn wir jegliche Wirkkraft, die Böses schafft, der Hyle, jene aber, die Gutes schafft, Gott zuschreiben, – wie es ja sinnvoll ist –, so sei dies nichts anderes als wenn wir beide Prinzipien als Gott bezeichneten? Wenn dieser Schluss richtig wäre, könntest du ebenso, wenn von Gift und Gegengift die Rede ist, denken, es komme aufs selbe heraus, sie beide als Gegengift zu bezeichnen, da ja beide ihre je spezifische Wirkkraft haben, beide ihre Funktion haben und sie erfüllen. Ebenso wirst du, wenn vom Arzt und vom Giftmischer die Rede ist, beide als Ärzte bezeichnen, und du könntest, wenn vom Gerechten und Ungerechten die Rede ist, beide als Gerechte bezeichnen, da ja beide auf ihre Weise sich betätigen. Wenn ein solcher Schluss aber schon bei diesen Beispielen absurd ist, wie viel absurder ist es, Gott und die Hyle deswegen für zwei Götter zu halten, weil beide auf ihre Weise wirken? Deine Argumentation ist also töricht und ziemlich fadenscheinig, indem du, unfähig zu einer sachlichen Auseinandersetzung, mit reiner Wortklauberei Streit mit mir vom Zaun brichst. Ich stelle ja keineswegs in Abrede, dass wir bisweilen auch die feindliche Natur als Gott bezeichnen, doch nicht weil dies unser Glaube ist, sondern um uns der von ihren Verehrern, die sie törichterweise für Gott halten, bereits zuvor verwendeten Bezeichnung anzupassen. Ähnlich sagt ja auch der Apostel (II Kor. 4,4): Der Gott dieser Welt verblendete den Sinn der Ungläubigen, indem er zwar die Bezeichnung Gott verwendete, da er ja von seinen Anhängern so genannt wurde, aber beifügte, dass er ihren Sinn verblendet, um damit deutlich zu machen, dass es nicht der wahre Gott ist.
