3. Er erwidert auf jene Worte, nach welchen das Geborene der Gebärenden wesensgleich sein müßte.
Die zweite schmähende Gotteslästerung oder gotteslästerliche Schmähung deiner Verkehrtheit ist die, daß du S. 588 sagst: Gleichwesentlich der Gebärenden muß die Geburt sein. Sie ist nicht unähnlich der obigen, denn sie unterscheidet sich von ihr mehr den Worten als der Sache und Art nach. Da es sich nemlich um die Geburt Gottes handelt, so sagst du Dasselbe mit der Behauptung, es habe ein Höherer aus Maria nicht geboren werden können, wie oben mit der andern, es habe ihr ein Früherer nicht entstammen können. Deßhalb kannst du das vorher Gesagte auch als Antwort hierauf nehmen, oder Das, was ich jetzt sagen werde, auch noch als Erwiderung auf Jenes betrachten. Du sagst also: Die Geburt muß der Gebärenden gleichwesentlich sein. Wenn man auf die irdischen Zeugungen sieht, dann ist es sicher so; wenn aber auf einen Ursprung Gottes, wozu betrachtest du bei seiner Geburt die Beispiele der Natur, da ja doch die Satzungen dem Gesetzgeber unterworfen sind, nicht der Gesetzgeber den Satzungen? Willst du aber noch genauer wissen, wie deine Lästerungen nicht nur gottlos sind, sondern auch thöricht und nur das Gerede eines Menschen, der durchaus Nichts von Gottes Allmacht sieht? Sage mir doch, du, der du glaubst, daß nur Gleiches aus Gleichem entstehen könne, woher jene unsagbare Menge von Wachteln einst in der Wüste zu Israels Nahrung plötzlich entstanden sei?1 Denn wir lesen nicht, daß sie zuvor an irgend einem Orte von ihren Müttern geboren, sondern daß sie plötzlich hergeführt worden und angekommen seien. Woher ferner floß jene himmlische Speise vierzig Jahre hindurch auf das Lager der Hebräer herab? Hat etwa ein Manna das andere erzeugt? Doch das sind alte Wunderthaten, was wissen wir von neuen? Mit wenigen Broden und Fischen hat der Herr Jesus Christus nicht nur einmal unzählige ihm nachfolgende Schaaren Volkes in der Wüste gespeist. Der Grund der Sättigung lag nicht in der Speise, sondern die Hungernden hat eine unsichtbare und geheimnißvolle Ursache gesättigt, besonders da S. 589 noch viel mehr den Gesättigten übrig blieb, als den Hungernden vorgesetzt worden war. Auf welche Weise ist nun Dieses geschehen, daß, nachdem die Essenden schon satt geworden, doch durch die unaussprechliche Vermehrung noch reichlich Speise vorhanden war? Wir lesen, daß in Galiläa Wein aus Wasser entstanden sei. Sage mir, wie hier der eine Naturstoff die von seiner Art so verschiedene Substanz hervorbringen konnte, besonders da, was so gut zu der Geburt des Herrn paßt, die Entstehung eines edlern Dinges aus einem geringern statt fand? Sage mir also, wie aus jenem einfachen Wasser der herrliche und wundervolle Geschmack des Weines entstanden, wie etwas Anderes geschöpft, etwas Anderes eingegossen worden sei? Hatte vielleicht eine Cisterne oder ein Brunnen diese Eigenschaft, daß sie die aus ihnen genommenen Wasser in die besten Weine verwandelten? Oder hat Dieß die Eigenthümlichkeit der Gefäße oder die Kunst der Diener gethan? Nichts von allem Dem! Wie kommt es nun, daß die Erklärung der Thatsache nicht von unsern Gedanken begriffen wird, während doch die Wahrheit derselben im bestimmten Wissen bewahrt wird? Dem Blinden im Evangelium wurde Koth auf die Augen gelegt, und Augen entstanden aus dem Kothe. Hatte nun das Wasser diese Eigenschaft, daß es Augen erzeugte, oder der Koth, daß er Licht gebar? Nichts hievon, da ja das Wasser dem Blinden Nichts bieten konnte, der Koth aber auch die Sehenden hindern muß. Wie konnte also ein Ding, welches die Macht zu schaden in sich hat, eine helfende und heilsame Leistung bieten, und wie war Das, was den Gesunden zu schaden pflegt, nun der Gesundheit dienlich? Nun sagst du, Gott habe diese Kraft verliehen, Gott das Heilmittel gegeben, und all das Gesagte habe ganz die göttliche Allmacht bewirkt, da sie ja fähig sei, aus ungewöhnlichen Stoffen Neues zu gründen und aus feindlichen Heilsames herzustellen und überhaupt, was im Bereiche des Unmöglichen oder Nichtwirklichen liegt, so umzuändern, daß es möglich und wirklich wird.
IV. Mos. 11, 31 ff. ↩
