8.
Nachdem ich Dich gezwungen habe, diese Bastion aufzugeben, wirst Du auf den geistlichen Stand hinweisen. Du wirst mich fragen, ob ich am Benehmen der Kleriker etwas auszusetzen habe, da sie ja auch in ihren Städten Residenz halten? Es sei ferne von mir, geringschätzig über die zu urteilen, welche als Nachfolger der Apostel mit geheiligtem Munde Christi Leib gegenwärtig machen. Durch sie sind ja auch wir Christen geworden. Sie besitzen die Schlüssel zum Himmelreiche 1 und richten sozusagen vor dem Tage des Gerichtes. Sie schützen die Braut des Herrn in Enthaltsamkeit und Keuschheit. Aber die Geistlichen befinden sich, wie ich schon vorhin auseinandergesetzt habe, in einer ganz anderen Lage als die Mönche. Die Geistlichen weiden die Schafe; 2 ich (ein Mönch) werde zur Weide geführt. Sie leben vom Altare; 3 mir wird wie einem unfruchtbaren Baume die Axt an die Wurzel gelegt, 4 wenn ich meine Gabe nicht auf dem Altare niederlege. 5 Ich kann nicht etwa meine Armut vorschützen, wenn ich sehe, wie die alte Frau im Evangelium zwei kleine Geldstücklein, ihren einzigen Besitz, dahingab. 6 Es steht mir nicht zu, meinen Platz vor dem Priester einzunehmen. Wenn ich gesündigt habe, darf er mich dem Satan überantworten zur S. 287 Vernichtung des Fleisches, damit die Seele gerettet werde. 7 Wer im Alten Bunde den Priestern nicht gehorchte, wurde aus dem Lager gewiesen und vom Volke gesteinigt; oder er mußte seinen Nacken dem Schwerte beugen, um durch blutige Sühne seine Verachtung gutzumachen. 8 Jetzt aber wird der Ungehorsame mit einem geistigen Schwerte enthauptet oder aus der Kirche ausgestoßen und von den Zähnen grimmiger Dämonen zerfleischt. Wenn Dich die gutgemeinten Zureden der Brüder zum Eintritt in diesen Stand auffordern, dann freue ich mich zwar über Deinen Aufstieg, kann aber nicht verhehlen, daß ich Deinen Fall befürchte. Wer ein bischöfliches Amt erstrebt, erstrebt ein gutes Werk. 9 Das weiß ich. Aber vergiß nicht, was daran anschließt. „Er muß ohne Tadel sein, eines Weibes Mann, mäßig, keusch, klug, gesetzten Wesens, gastfreundlich, einer Belehrung zugänglich, nicht dem Weine ergeben, kein Draufgänger, sondern bescheiden.“ 10 Nachdem der Apostel sich noch weiter über die Pflichten des bischöflichen Amtes ausgesprochen hat, wendet er sich mit nicht geringerer Besorgnis dem dritten Grade zu mit den Worten: „Ebenso sollen die Diakone ehrbar sein, nicht doppelzüngig, nicht starkem Weingenuß ergeben, nicht gewinnsüchtig. Das Geheimnis des Glaubens sollen sie in reinem Gewissen besitzen. Zuerst sollen sie geprüft werden, und wenn sie als untadelig erwiesen sind, dann erst sollen sie ihren Dienst verrichten.“ 11 Wehe dem Menschen, der ohne hochzeitliches Gewand zum Mahle erscheint! Er muß damit rechnen, daß man ihn sofort fragt: „Freund, wie bist du hier hereingekommen?“ 12 Und wenn er dann verstummt, wird man den Dienern sagen: „Ergreifet ihn an Händen und Füßen und werfet ihn in die äußerste Finsternis, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird.“ 13 Wehe dem, der das anvertraute Talent ins Schweißtuch wickelt! Während die anderen S. 288 das ihre gewinnbringend anlegen, gibt er sich damit zufrieden, das Empfangene nur aufzubewahren. Ihn wird der Vorwurf seines ungnädigen Herren treffen: „Du böser Knecht, warum hast du mein Geld nicht auf die Bank gegeben, daß ich es samt Zinsen bei meiner Rückkehr in Empfang nehmen konnte?“ 14 Das bedeutet, Du hättest am Fuße des Altares niederlegen müssen, was Du nicht zu tragen vermochtest. Indem Du wie ein feiger Kaufmann ohne Unternehmungsgeist den Zehner festhältst, hast Du eines anderen Stelle eingenommen, der das Geld verdoppelt hätte. Wie also der sich ein hohes Verdienst sichert, der das geistliche Amt gut verwaltet, 15 so macht sich der des Leibes und Blutes Christi schuldig, welcher unwürdig zum Kelche des Herrn hinzutritt. 16
