[Vorwort]
Der Brief fährt uns das Bild des Diakons Sabinianus, eines unglücklichen Menschen, vor, der dem geistlichen Stande durch seine sittliche Verkommenheit zur größten S. 366 Unehre gereichte. Von einem nicht genannten Bischof Oberitaliens — vielleicht Ambrosius — geweiht, wird er zum Verführer von Jungfrauen. Auch des Ehebruches macht er sich schuldig, bis er vor der Rache eines mächtigen Barbaren — also wohl eines Goten — aus Italien flieht, um in Syrien zu landen. Mit Empfehlungsschreiben seines Bischofs schleicht er sich in das Kloster zu Bethlehem, wo sein Lebenswandel unbekannt war, ein unter dem Vorgeben, Mönch werden zu wollen. Hier wäre es ihm beinahe gelungen, eine dem Kloster der hl. Paula zugehörige Nonne zum Bruche ihres Gelübdes zu verführen, was aber noch in letzter Stunde verhindert werden konnte. Der Verführer bat kniefällig um Verzeihung, die ihm auch gewährt wurde. Aber Bethlehem mußte er verlassen. Statt nun in sich zu gehen, setzte er sein lockeres Leben fort und erging sich in Schmähungen und Verleumdungen gegen Hieronymus. Um den verstockten Sünder doch noch von seinem bösen Wege abzubringen, dann aber auch um seine angegriffene Ehre zu schützen, hält Hieronymus ihm seine ganzen Schandtaten vor Augen und mahnt den sündigen Diakon mit scharfen, zum Teil harten Worten zur Umkehr.
Zur Datierung des Briefes läßt sich nur sagen, daß er nach 389 aus Bethlehem geschrieben wurde, da in diesem Jahre das Kloster der hl. Paula, zu dem die betörte Nonne gehörte, im Bau vollendet war. Da die zahlreichen Zitate aus den Propheten und aus den Büchern der Könige sich sämtlich dem LXX-Text anpassen, so dürfte es nicht zu kühn sein, den Brief vor der Übersetzung dieser Bücher aus dem Hebräischen anzusetzen. Diese erfolgte vor dem Jahre 392. 1
Pronberger (88 f.) entscheidet sich für die Jahre 407—409. ↩
