3.
Vielleicht machst Du Dich hierüber lustig, da Du an Komödien, lyrischen Gedichten und den Schauspielen des Lentulus 1 mehr Freude hast. Immerhin habe ich bei Deiner allzu großen Beschränktheit Bedenken, ob Du sie verstehst. Die Worte der Propheten verachtest Du zwar. Trotzdem mag Dir Amos antworten: „Es spricht der Herr: Habe ich nicht Ursache, ihn zu verwerfen, nachdem er drei- oder viermal gefrevelt hat?“ 2 Weil Damaskus, Gaza, Tyrus, die Idumäer, Ammoniter, Moabiter, die Juden und Israeliten es ablehnten, der an sie gerichteten Mahnung zur Buße nachzugeben, bringt Gott die gerechte Begründung der Strafe vor, die er verhängen will, und spricht: „Soll ich mich etwa wegen der drei oder vier Verfehlungen nicht von ihnen abwenden?“ 3 Er will damit sagen: „Es ist ein Verbrechen, Böses zu denken, aber ich habe es zugelassen. Es ist schlimmer, die bösen Gedanken ausführen zu wollen. Aber bei meiner Güte und Barmherzigkeit habe ich auch im diesem Falle Nachsicht geübt. Mußte die Sünde auch noch ausgeführt und meine Nachsicht in stolzer Überhebung mit Füßen getreten werden? Aber da ich doch nicht den Tod des Sünders will, sondern seine Besserung, dachte ich auch nach der Tat: 4 Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. 5 Ich reiche dem Gefallenen meine Hand und ermahne ihn, der sich mit seinem eigenen Blute besudelt hat, sich in den Tränen der Buße reinzuwaschen. Wenn er aber jetzt noch nicht Buße tun und nach dem Schiffbruch das rettende Brett ergreifen will, 6 dann sehe ich mich gezwungen, zu sagen: Soll ich mich nach drei oder vier S. 371 Verfehlungen nicht von ihm abwenden?“ 7 Das Wort Abwendung ist hier sinngleich mit Strafe, da der Sünder jetzt seinem eigenen bösen Willen überlassen bleibt. Deshalb sühnt Gott die Sünden der Väter am dritten und vierten Geschlecht, 8 da er die Fehlenden nicht sofort strafen will, sondern ihnen anfänglich verzeiht und sie erst zuletzt verdammt. Würde er sogleich als Rächer auftreten, dann hätten die Kirchen neben vielen anderen auch keinen Apostel Paulus. Der bereits zitierte Prophet Ezechiel berichtet das Wort Gottes, das an ihn erging, und schreibt: „Öffne deinen Mund und iß, was ich dir geben werde. Und ich sah, und siehe, eine Hand streckte sich nach mir aus, und in ihr lag ein Buch. Und er schlug es vor meinen Augen auf, und in ihm stand geschrieben von vorn und von hinten: Klage, Gesang, Wehe.“ 9 Das erste der drei Worte nimmt auf Dich Bezug, wofern Du gewillt bist, nach Deinem Fehltritt Buße zu tun. Das zweite Wort bezieht sich auf die Heiligen und ist eine Aufforderung zum Lobe Gottes. Denn in den Mund des Sünders paßt ein Loblied nicht. 10 Das dritte wendet sich an Deinesgleichen, die an ihrer Besserung verzweifelnd sich der Unreinheit, der Unzucht, dem Bauche und dem, was sich darunter befindet, überantwortet haben. Sie glauben, daß mit dem Tode alles ein Ende nimmt, daß es nach dem Tode nichts mehr gibt. Sie sprechen: „Wenn sich das Unwetter erhebt, wird es nicht über uns kommen.“ 11 Jenes Buch aber, welches der Prophet verschlingt, ist die ganze Heilige Schrift, welche den Büßenden betrauert, den Gerechten preist und den Verzweifelnden verflucht. Nichts ist Gott so zuwider wie ein unbußfertiges Gemüt. Es ist das einzige Verbrechen, für das es keine Verzeihung gibt. Während derjenige nach seiner Sünde Vergebung findet, der aufhört zu sündigen, und den Richter gnädig stimmt, wer immer ihn anfleht, fordert jeder Unbußfertige S. 372 den Zorn des Richters heraus. Nur für das Verbrechen der Verzweiflung gibt es keine Heilung. Damit Du aber wissest, daß der Herr täglich die Sünder zur Buße aufruft und für diejenigen, die hartnäckig bleiben, keine Milde, sondern nur harte Strenge kennt, möchte ich an ein Wort des Propheten Isaias erinnern: „Und der Herr der Heerscharen wird sie an jenem Tage zum Weinen und zu großer Trauer, zum Scheren des Hauptes und zum Anlegen der Bußgürtel einladen. Sie aber gingen auf in Freude und Wohlsein, schlachteten Kälber und töteten Schafe, schmausten Fleisch und tranken Wein und sprachen: Lasset uns essen und trinken; denn morgen werden wir sterben.“ 12 Zu diesen anmaßenden Worten, wie sie nur ein verderbter Geist in seiner Vermessenheit äußern kann, bemerkt die Heilige Schrift: „Dies aber kam zu den Ohren des Herrn der Heerscharen, und er sprach: Nicht wird euch diese Sünde nachgelassen werden, bis ihr sterbt.“ 13 Denn wenn man der Sünde abgestorben ist, wird die Sünde vergeben werden. Solange man aber in der Sünde lebt, gibt es keine Verzeihung.
