4.
Doch weiter! Denn die bei einem Briefe gebotene Kürze erlaubt es nicht, bei den Einzelheiten länger zu verweilen. Gelegentlich der Erklärung des Apostelwortes: „Die Frau hat nicht die Gewalt über den eigenen Leib, sondern der Mann; in gleicher Weise hat auch der Mann nicht Gewalt über den eigenen Leib, sondern die Frau“ 1 habe ich gesagt: „Diese ganze Frage geht nur die Verheirateten an. Es gilt zu wissen, ob es den Männern gestattet ist, ihre Frauen zu entlassen, was ja der Herr selber im Evangelium verboten hat. 2 Deshalb sagt auch der Apostel: Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren. 3 Wer aber einmal eine Frau geheiratet hat, darf nur bei gegenseitigem Einverständnis Enthaltsamkeit üben und nur im Falle einer Schuld seine Frau zurückweisen. Sonst muß er der Gattin die geschuldete Pflicht leisten; 4 denn er hat sich freiwillig gebunden, so daß er zur Leistung der Pflicht gezwungen werden kann.“ 5 Darf man da von mir behaupten, daß ich die Ehe verurteile, der ich mich dafür einsetze, daß ein Gebot des Herrn die Entlassung der Frau verbietet, daß ohne gegenseitiges Einverständnis von den Menschen nicht getrennt werden darf, was Gott verbunden hat? 6 Weiterhin habe ich geschrieben: 7 „Der Apostel sagt: Aber jeder hat seine eigene Gabe von Gott, der eine so, der andere so.“ 8 Bei der Erklärung dieser Stelle habe ich ausgeführt: „Was ich will, sagt der Apostel, ist klar. Aber da es in der Kirche verschiedene Gnaden gibt, bin ich damit einverstanden, daß man heiratet; denn ich will die menschliche Natur nicht als etwas Schlechtes hinstellen. Übersieh aber hierbei nicht, daß die Gnade S. b157 der Jungfräulichkeit etwas anderes ist als die Gnade des Ehestandes. Denn wenn Gott für Verheiratete und Jungfräuliche den gleichen Lohn bestimmt hätte, so würde der Apostel nicht sagen: Aber ein jeder hat seine eigene Gabe von Gott, der eine so, der andere so. 9 Wo jeder seine besondere Gabe hat, da müssen auf der anderen Seite diese Gaben auch untereinander verschieden sein. Ich gebe zu, daß auch der Ehestand eine Gabe Gottes ist, aber zwischen Gabe und Gabe ist ein großer Unterschied. Zuletzt spricht der Apostel von einem, der sich der Blutschande schuldig gemacht hat, seine schwere Tat aber bereute: Im Gegenteil, ihr sollt ihm verzeihen und ihn trösten. 10 Und wenn ihr einem verziehen habt, dann verzeihe auch ich ihm. 11 Um aber zu verhüten, daß die menschliche Gabe geringgeschätzt werde, fügt er hinzu: Denn was ich immer verzeihe, wenn ich etwas zu verzeihen habe, tue ich um euretwillen im Angesichte Christi. 12 Die Gaben Christi sind verschieden. Deshalb trug auch Joseph als sein Vorbild einen bunten Rock. 13 Und im 44. Psalme lesen wir: Die Königin steht zu seiner Rechten im goldenen Kleide, im bunten Gewande. 14 Und der Apostel Petrus schreibt: Wie Miterben der vielfachen Gnade, wofür im Griechischen noch genauer ποικίλης steht, was mannigfaltig bedeutet.“ 15
