8.
Weiter heißt es in meiner Schrift: „Nachdem der Apostel seine Ausführungen über Ehe und Jungfräulichkeit zu Ende geführt hat, wandelt er in weiser Mäßigung seiner Vorschriften auf der goldenen Mittelstraße zwischen beiden, ohne nach rechts oder nach links abzuschweifen, eingedenk des Wortes: Wolle nicht zu gerecht sein. 1 So vergleicht er die Einehe mit der zweimaligen Heirat. Wie er nun die Jungfräulichkeit über die Ehe stellt, so weist er auch der Einehe einen Vorrang vor der zweimaligen Heirat zu.“ 2 Habe ich nicht deutlich gezeigt, was in der Hl. Schrift rechts und links bedeutet, und welcher Sinn den Worten: „Wolle nicht allzu gerecht sein“ 3 zukommt? Nach links sich wenden heißt, mit den Juden und Heiden immer wieder der Begierlichkeit nachgeben und nach ehelichem Verkehr stöhnen. Nach rechts abirren bedeutet, gemäß der Irrlehre der Manichäer Enthaltsamkeit heucheln und sich in die Netze der Unkeuschheit verstricken. Die goldene Mittelstraße aber besteht darin, so nach der Jungfräulichkeit zu streben, daß die Ehe dadurch nicht herabgesetzt wird. — Welcher Kritiker meiner Schriften wird so niederträchtig sein, zu behaupten, ich verurteile die erste Ehe, wo er doch meine nachstehenden Bemerkungen über die zweite Ehe lesen kann? S. b162 Sie lauten: „Der Apostel erlaubt die zweite Ehe, aber nur den Witwen, die sie wünschen, nur denen, die sich nicht enthalten können. 4 Sonst möchten sie erst heiraten, nachdem sie Christus zuwider üppig geworden und dem Urteil verfallen sind, weil sie die erste Treue gebrochen haben. 5 Dieses Zugeständnis hat der Apostel gemacht, weil viele Witwen dem Teufel nachgegangen sind. 6 Im übrigen werden sie besser daran sein, wenn sie Witwen bleiben. Um zu zeigen, daß es hierbei nur um seine, des Apostels persönliche Auffassung geht, fügt er bei ,nach meinem Rate’. 7 Um aber zu verhüten, daß des Apostels Autorität als eine menschliche zu leicht genommen werde, macht er den Zusatz: Ich glaube aber, daß auch ich den Geist Gottes in mir habe. 8 Wo er also zur Enthaltsamkeit mahnt, da ist es nicht so sehr sein Rat als der des Geistes Gottes. Wo er aber die Erlaubnis zum Heiraten gibt, da erwähnt er den Geist Gottes nicht, sondern als kluger Mensch wägt er einen Rat ab und kommt der Schwäche des einzelnen so weit entgegen, daß jeder die Last tragen kann.“ 9 Nachdem ich auch die Stellen angeführt habe, in denen der Apostel eine zweite Ehe erlaubt, mache ich folgende Ausführungen: „Wie der Apostel den Jungfrauen wegen der Gefahr der Unkeuschheit die Ehe erlaubt und damit als entschuldbar hinstellt, was an sich nicht zu erstreben ist, so gestattet er wegen der gleichen Gefahr den Witwen eine zweite Ehe. Denn es ist besser, einen zweiten und auch einen dritten Mann, aber immer nur einen Mann, zu kennen als eine ganze Anzahl von Männern, d.h. es ist erträglicher, sich einem Manne hinzugeben als vielen.“ 10 — Nun aber Schluß mit diesen Verleumdereien! Hier habe ich doch über die zweite, dritte und meinetwegen auch vierte Ehe gesprochen, aber nicht über die erste. Es möge daher keiner meine Worte: „Es ist erträglicher, sich einem Manne hinzugeben als vielen“ auf die S. b163 erste Ehe deuten; denn zur Erörterung steht nicht diese, sondern die zweite und dritte Ehe. Im übrigen habe ich meine Ausführungen über die zweite und dritte Ehe mit folgenden Worten zum Abschluß gebracht: „Alles ist erlaubt, aber nicht alles schickt sich. 11 Es liegt mir fern, die Menschen zu verurteilen, die ein zweites oder ein drittes und meinethalben auch ein achtes Mal heiraten. Ich gehe noch weiter: Ich nehme selbst einen Menschen wieder auf, der sein ganzes Leben der Unzucht gefrönt hat, sofern er reumütig zurückkehrt. Was in gleicher Weise erlaubt ist, muß auch mit der gleichen Waage gewogen werden.“ 12
