6.
Meine Verleumder mögen gefälligst ihre Ohren öffnen und hören, daß ich selbst eine zweite und dritte Ehe im Herrn erlaubt habe. Wenn ich aber die zweite und dritte Ehe nicht verurteile, wie soll ich dann die erste verdammt haben? — Habe ich bei der Erklärung der Stelle des Apostels: „Ist einer als Beschnittener berufen worden, so verberge er es nicht; ist er als Unbeschnittener berufen, so lasse er sich nicht beschneiden“, 1 nicht ganz offensichtlich auf das Ehebündnis Bezug genommen? Dies tat ich, obwohl sehr gelehrte Exegeten diese Stelle auf die Beschneidung und die Beobachtung des Gesetzes deuten. Ich führte nämlich Folgendes aus: „Wenn ein Unbeschnittener S. b159 berufen ist, so lasse er sich nicht beschneiden. 2 Warst du verheiratet, als du zum christlichen Glauben kamst, dann laß deinen Glauben an Christus nicht zur Ursache des Streites werden; denn der Herr hat uns zum frieden berufen. 3 Ob einer beschnitten oder unbeschnitten ist, darauf kommt es nicht an, wohl aber auf die Beobachtung der göttlichen Gebote. 4 Es nützt weder der Zölibat noch der Ehestand etwas ohne gute Werke, da selbst der Glaube, der ein Vorrecht der Christen ist, ohne die guten Werke ein toter Glaube genannt wird. 5 Sonst könnte man ja auch die Jungfrauen der Vesta und die Priesterinnen der Juno, die nur einmal heiraten durften, zu den Heiligen rechnen.“ 6 Unmittelbar darauf führte ich aus: „Bist du als Sklave berufen, so soll dich dies weiter nicht beunruhigen; ja selbst wenn du frei werden kannst, bleibe lieber Sklave ! 7 Auch wenn du eine Gattin hast und ihr verbunden bist, wenn du deiner Pflicht nachkommst und deshalb nicht mehr die Herrschaft über deinen Leib hast, 8 oder, um es deutlicher auszudrücken, wenn du der Sklave deiner Frau bist, so sei deshalb nicht traurig und jammere nicht über den Verlust der Jungfräulichkeit! Solltest du sogar einige Gründe ausfindig machen, die eine Trennung rechtfertigen, so daß du frei und enthaltsam leben könntest, so erkaufe dein Glück nicht mit dem Verderben deiner Gattin! Laß sie vielmehr noch einige Zeit bei dir, gehe nicht schneller als sie, die noch zögert, warte vielmehr, bis sie dir folgt! Übst du Geduld, dann wird zuletzt aus der Gattin eine Schwester.“ 9
