Nr. 16
Das vernünftige Thier, mit der Weisheit und Klugheit Gabe beschenkt, ihr Menschen also, uneingedenk und vergessend der Bildnisse Bestandtheile und Entstehungen, welche sie auch seyn mögen, fallet vor gebranntem Lehm nieder, verehret Metallbleche, erfleht von Elephantenzähnen Wohlfahrt, Amtswürden, Herrschaft, Macht, Siege, Besitzthum, Gewinn, reiche Ernten, höchst ergiebige Weinlese; und obschon offenbar, augenscheinlich die Worte nur unempfindlichen Dingen zukommen, dennoch glaubt ihr an Erhörung und verstricket überdies euch selbst durch nichtiger Leichtgläubigkeit Trug. O wäre es doch möglich, in irgend eines Bildnisses innere Höhlungen einzugehen! Ja, wäre es erlaubt, jenen olympischen und kapitolinischen Jupiter auseinandergelöst in Stücke zu theilen und alle jene Theile, in denen sich des Körpers Ganzheit abschließt, abgesondert und einzeln in's Auge zu fassen: ohne Zweifel sähet ihr dann, daß diese Götter, welche eine äußerliche Glätte durch des Schimmers Anlockung verherrlicht, Geflechte großer Bleche, Zusammenfügungen ungestalteter Stücke, wegen Umsturz und Trennung durch Klammern, Ketten, Hacken und Haften zusammengehalten seyen; daß in allen Oeffnungen und Fugen der Bande Blei eingegossen sich befinde und zur dauerhaften Erhaltung beitrage. Ihr sähet, sage ich, ohne Zweifel bloße Antlitze ohne Hinterköpfe; halbe Hände ohne Unterarme; Leiber mit halbirten Seiten, der Fußsohlen unvollkommene Tritte, und was am meisten Lachen erregt, die eine Seite aus Holz, die andere aus Stein, durch der Körper ungleiche Verbindung zu Stande gebracht. Wenn nun durch künstliche Verhüllung dieß nicht wahrgenommen werden konnte, so mußten wenigstens euch die offenbaren Dinge belehren und mahnen, daß euer Mühen fruchtlos sey und daß eitle Dienste um nichtige Dinge her ihr mit Sorgfalt übt. Dergestalt seht ihr freilich nicht diese augenscheinlichen Zeichen, daß die, deren Füße und Knie ihr betend berührt und betastet, bald der Regentropfen Fall verwittert, bald der Fäulniß und des Rostes Fraß verzehrt; daß vom Brodem und Rauch beschlagen und entstellt sie sich schwärzen; wie sie durch Vernachlässigung binnen langer Zeit Stand und Gestaltung einbüßen, vom Rost gefressen verfallen? So, sage ich, nehmt ihr nicht wahr, wie daß in dieser S. 174 Bildnisse Höhlungen und Vertiefungen Eidechsen, Spitzmäuse und lichtscheue Schaben, Schwaben nebst Kackerlacks nisten und hausen? wie daß sie hierher allen Unflath und was sonst dienlich ist, zusammenbringen, angenagte harte Brodbrocken, Knochen zur Umzäunung, Lumpen, Wolle, Papier, zur Weichlichkeit des Nestes und zur Erwärmung der unbehülflichen Brut? Nicht seht ihr, wie manchmal in eines Bildnisses Antlitz die Spinnen den Faden ihrer Gewebe anheften, mittelst deren sie die summsenden und unverschämten Fliegen umwickeln können? Nicht endlich, wie die Schwalben innerhalb der Tempelgewölbe selbst umherschweifen, angefüllt mit Koth und bald die Antlitze selbst, bald die Köpfe der Gottheiten beschmutzen, den Bart, die Augen, die Nase, sammt allen anderen Theilen, auf welche immer der entledigte Unflath sich herabstürzt? Erröthet also wenigstens spät und nehmt von den Thieren Regel und Einsicht hin! Die mögen euch belehren, daß den Bildnissen nichts Göttliches einwohne, auf die sie Unflath zu werfen weder sich scheuen noch meiden, ihren Gesetzen folgend und angetrieden durch den Naturtrieb.
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