Nr. 26
O der grauenerregenden Schreckgestalten und zur Furcht zwingenden Scheuchen, um deren willen das Menschengeschlecht in immerwährendes Zittern versetzt, nichts mehr unternahm; betroffen in jeglicher lasterhaften wie schändlichen That sich bezähmte. Sicheln, Schlüssel, Frisuren, Feuersteine, Talare, Knotenstöcke, Haudpauken, Flöten, Zithern, volle und ansehnliche Brüste, Trinkgefäße, Zangen, Fruchthörner, nackte Weiberkörper und offen dargelegte Phallus. Hätte es nicht genügt zu tanzen, zu singen, als unter dem Vorwand der Bedachtsamkeit und des Ernstes zu erzählen, von den Alten seyen die eben so empfindungslosen wie unschicklichen Bildnisse zur Verhüthung der Vergehen und zum Schreck der Schuldigen wie Ruchlosen angefertigt worden? Bis dahin waren also die Sterblichen jener Zeiten sinnlos, ermangelten des Verstandes und der Einsicht, so daß sie wie Kinder von schlechten Handlungen mittelst dem schreckhaften Anblick ungeheuerer Gestaltungen, durch Verzerrungen und Popanzen in Schranken gehalten werden mußten? Und woher hat sich die Sache zum Gegentheil hingewendet, daß, obschon so viele mit den Bildnissen aller möglichen Götter angefüllte Tempel in den Städten sich finden, obschon so mannigfaltige Vorschriften und Strafarten bestehen, dennoch der Menge der Schuldigen nicht kann Einhalt gethan werden; und daß man durch keine Mittel die Frechheit zu entnerven vermag; ja daß vielmehr die verdoppelten Uebelthaten sich in dem Maße mehren, als man sich bestrebt, durch Gesetze und Gerichte die Rohheit zu mindern, durch der Strafen Züchtigung zu unterdrücken? Flößten aber nun die Bildnisse den Sterblichen Furcht ein, so endete auch alle Gesetzgebung und es konnten keine so verschiedenartigen Strafen für die Vermessenheit der Lasterhaften festgesetzt werden. Da sich jedoch herausstellte und erwies, daß die Meinung von der Furcht, welche, wie man sagt, den Bildnissen entströmt, thatsächlich nichtig sey, so nahm man die Zuflucht zu der Gesetze Festsetzung; S. 180 welche ebenfalls auf's zuverlässigste den Schrecken eingeprägt und die Verdammung angeordnet, welchen auch selbst die Bildnisse ihre Erhaltung bis jetzt und das ihnen bewahrte Zugestehen der Ehrerbietung zu danken haben.
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