Nr. 1
Es mag seyn! Die spielenden Dichter haben jene Schändlichkeiten von den unsterblichen Göttern insgesammt bekannt gemacht. Aber was die glaubwürdigen, ernsten, sorgfältigen Geschichtserzählungen enthalten, in den geheimnißvollen Mysterien überliefert werden, ist dieß auch von den Dichtern ausgesonnenes Phantasiespiel? Hieltet ihr dasselbe für derlei Ungereimtheit, so bewahrtet ihr Manches nicht im Gebrauch, so feiertet ihr es nicht im Laufe der Jahre als frohe Feste, noch beobachtetet ihr es als Abbilder von Thatsachen im heiligen Ritus. Aus so Vielem der Art will ich indessen nur eins, die Mittelstraße verfolgend, vorsetzen, wo jener Jupiter selbst als thöricht und unwissend eingeführt wird, im Spiel zweideutiger Ausdrücke. Im zweiten Buche, damit nicht Einer etwa meint, wir bringen Verläumdung halber Schmähungen vor, erzählt Antiates folgende Fabel: König Numa habe, nicht im Besitz der Kunde, wie man das vom Blitz Getroffene sühne, begierig nach dieser Kenntniß, auf die Mahnung der Egeria, zwölf reine Jünglinge bei der Quelle mit Schlingen versteckt, um, wenn Faunus und Martius Pikus dorthin Wasser zu schöpfen kämen: denn dieser Gang des Wasserholens war ihnen gewöhnlich; dieselben anzufallen, zu greifen und zu binden. Damit die Sache aber mit geringerer Schwierigkeit ausgeführt werden konnte, habe der König große Geschirre voll Wein und Honigwasser füllen und beim Zugang der Quelle zum Trug hinstellen lassen. Jene seyen nun nach gewohnter Weise, begierig zu trinken, an den bekannten Ruheplatz S. 138 gekommen; als sie aber auf die von duftendem Tranke erfüllten Gesschirre stießen, hätten sie, dem Alten das Neue vorziehend, derselben voll Gier sich bemächtigt, von des Trankes Süße befangen, mehr als genug getrunken, und seyen dann mit beschwerten Knöpfen eingeschlafen. Da die beiden Greise im tiefen Schlaf ruhten, habe man die Trunkenen in Bande geschlagen und ermuntert hätten sie alsbald den Könige belehrt, auf welche Weise und durch welche Opfer Jupiter zur Erde herabgezogen werden könnte. Nachdem der König diese Kunde erhalten, habe er auf dem Aventin das Opfer dargebracht, den Jupiter zur Erde herabgezogen und von ihm den Ritus der Sühnung erforscht. Jupiter habe lange zögernd gesagt: du wirst durch ein Haupt die vom Blitz getroffenen Gegenstände sühnen; der König geantwortet: durch ein Zwiebelhaupt? Hierauf Jupiter: durch ein menschliches; und der Könige dagegen: durch Haupthaar. Der Gott weiter: durch ein lebendes Wesen; worauf Pompilius, in die Rede fallend, Fisch gesagt. Endlich habe durch die zweideutigen Worte gefangen Jupiter ausgerufen: Du betrügst mich, Numa: denn ich setze für die vom Blitz getroffenen Gegenstände menschliche Häupter zur Sühne, nicht Haupthaar, Zwiebeln; weil mich jedoch deine Schlauheit hintergangen hat, so magst du deinen Willen haben, und vermittelst der Dinge, welche du durch Vertrag bedingt, immerdar die Sühne der vom Blitz getroffenen Gegenstände vornehmen.
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