Nr. 22
Außer ihr sagt vielleicht, die Götter beachten derlei Kränkungen nicht, noch halten sie dieselben für geeignete Ursachen, sich ihretwegen zu erheben und den gottlosen die Strafe verletzter Religion anzuthun. Also, ist dieß dergestalt, dann verlangen sie die Bildnisse, deren Zerstücklung und S. 177 Beraubung sie ungestraft erdulden, selbst nicht zu besitzen; ja gegentheils belehren sie, daß sie dieselben verachten, da sie in ihnen geschmäht durch irgend eine Rache ein Zeichen zu geben keine Sorge tragen. Philostephanos in den cyprischen Zuständen ist Bürge, daß Pygmalion, König von Cyprien, das Bildniß der Venus, welches die Cyprier für ein altberühmtes Heiligthum hielten, wie ein Weib, an Gemüth, Seele, Verstand und Urteilskraft erblindet, geliebt; daß er alberner Gewohnheit zufolge, als sey es eine Frau gleichsam, in's Bett gehoben, das Bildniß mit Umarmungen und Püffen sich zugesellt und noch andere vergebliche Dinge nichtiger Lust zu vollbringen sich eingebildet habe. Aehnlicher Weise berichtet Posidippos in jenem Buche, das er über Knidos und dessen Zustände überschrieben verfaßt hat, von einem nichts weniger als unedlen Jüngling, obschon er den Namen verschweigt, derselbe habe aus Liebe zu der Venus, wegen welcher Knidos berühmt ist, ergriffen, auch den Genuß erwirkt, mit dem Bildniß der Göttin das Lager theilend und so folgerecht die Lust befriedigend. Um ähnlicher Weise abermals zu fragen: Wenn im Erze und in den anderen Stoffen, woraus die Bildnisse geformt sind, der oberen Machtvollkommenheiten sich bergen, wo in aller Welt befanden sich die eine und die andere Venus, um der Jünglinge unfläthige Frechheit weit von sich zurückzustoßen und die ruchlosen Berührungen mit qualvoller Züchtigung zu bestrafen? Oder, weil sie sanftmüthige und geduldigere Göttinnen sind, wie leicht wäre es ihnen gewesen, den Unseligen die wüthende Lust zu löschen und den Wahn durch Entbindung der Sinne zu zerstören?
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