Nr. 13
Was verlache ich aber die den Göttern beigelegten Sicheln und Dreizacke? was die Hörner, die Hämmer und Hüte, da ich doch weiß, daß manche Bildnisse die Umrisse bestimmter Menschen und die Reize ehrloser Buhlerinnen an sich tragen? Wem nämlich ist unbekannt, daß die Athener jene Hermen nach dem Körper des Alkibiades abgebildet haben? Wer weiß nicht, liest er den Posidippos nur nach, daß Praxiteles nach der Gestalt der Hetäre Kratina, die der Unglückselige aufs Heftigste liebte, der Gnibischen Venus Statue mit aller Kunstfertigkeit bildete? Ist aber diese Venus die einzige wohl, welche mittelst übergetragener Schönheit von dem Antlitz einer Buhlerin her verherrlicht ward? Jene thespische Pryne, die berichten, welche von den thespischen Zuständen schreiben, soll, als sie selbst aus der Spitze der Schönheit, Anmuth und Blüthe stand, das Modell abgegeben haben zu sämmtlichen Venussen, welche man annimmt: sey es in den Städten der Griechen, sey es dort, woher die Liebe und Leidenschaft für derlei Bildnisse entsprang. Deßhalb wetteiferten alle Künstler, welche zur selben Zeit lebten und denen die Wirklichkeit des nachzuahmenden Modells den Vorrang gab, mit aller Sorgfalt und jedem Fleiß, des feilen Antlitzes Züge in's cythereische Bild überzutragen; der Künstler Ideale waren voll Feuer und Leben; jeder strebte durch angestrengten Eifer den Andern zu übertreffen, nicht um die Venus etwa erhabener zu machen, sondern um die Phryne als Venus hinzustellen. Und so kam es dahin, daß anstatt den unsterblichen Göttern man den Huren Opferdienste erwies und das unselige Bereich der Bildnerei in Trug verfiel. Unter den Bildhauern ist Phidias als der erste erwähnt, welcher, da er die Statue des olympischen Jupiters in ungeheuerem Maaß ausführte, auf des Gottes Finger anschrieb: Pantarces der reizende. Dieß war aber der Name eines von ihm geliebten und zwar zu unreiner Begierde erlesenen Knaben; und weder durch Furcht noch gewissenhafte Scheu erschüttert, machte er dem Gott des Buhlen Namen bekannt; ja heiligte er den Weibling durch die Gottheit und das Bildniß Jupiters. So weit ist es also Muthwille und bübische Gesinnung, diese Bildnisse zu fertigen, sie für Götter zu verehren und ihnen göttliche Heiligkeit beizulegen, da wir wahrnehmen, wie die Künstler selbst bei ihrer Gestaltung spielen und der eigenen Gelüste Denkmale heiligen. Was weiter, wenn du fragst, warum sollte wohl Phidias Bedenken tragen zu spielen und muthwillig zu seyn, da er wußte, daß vor noch kurzer Zeit der von ihm gemachte Jupiter selbst Gold, Stein und Bein, ungeformt, getrennt, ungeordnet S. 172 gewesen, daß er aller dieser Dinge Vereiniger und Verbinder sey, daß er ihnen die Gestaltung der Gliedmaßen gegeben, und was von Allem das Erste ist, daß sein Geschenk die Gunst des Daseyns und die Verehrung der Menschen sey.
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