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Doch davon genug. Es wird nun nötig sein, das folgende der Reihe nach zu besprechen. Die zehn Worte oder göttlichen Aussprüche, die wahrhafte Gesetze oder göttliche Satzungen sind, hat der Vater des Weltalls vor versammeltem Volke, vor Männern und Frauen zugleich, geoffenbart. Also hätte Gott eine Art Stimme gehabt, mit der er selbst sie ausgesprochen? Nicht doch! Solches darf uns gar nicht in den Sinn kommen. Denn nicht wie ein Mensch ist Gott, dass er des Mundes, der Zunge, der Arterien bedürfe. Vielmehr scheint er mir zu jener Zeit etwas Hehres und Wunderbares geschaffen zu haben, indem er befahl, dass ein unsichtbarer Schall in der Luft sich bilde, wunderbarer als alle Instrumente der Welt, ausgestattet mit vollkommenen Harmonien, nicht ohne Seele, aber auch nicht wie ein aus Leib und Seele bestehendes Lebewesen, sondern blosss eine vernunftbegabte Seele voll Klarheit und Deutlichkeit; diese Seele, der Luft Gestalt gebend und sie weithin spannend und zur feuerroten Flamme wandelnd, liess wie ein Lufthauch, der durch die Trompete gestossen wird, eine Stimme mit so artikulierten Lauten ertönen, dass die ganz entfernt Stehenden in gleicher Weise wie die Nächsten sie zu hören glaubten. Denn Menschenstimme, die man weithin erschallen lässt, pflegt sich abzuschwächen, sodass den Fernstehenden die Laute nicht mehr deutlich vernehmbar sind, da sie infolge der weiten Ausdehnung allmählich dunkler werden, zumal ja auch die Organe sich abnutzen. Diese neugeschaffene Stimme dagegen liess Gottes Allmacht durch einen Anhauch erwachen und anschwellen und überallhin erschallen, und sie machte das Ende noch helltönender als den Anfang, indem sie in der Seele eines jeden einen andern und weit kräftigeren Schall hervorrief, als es der gewöhnliche durch das körperliche Ohr ist; denn das körperliche Gehörvermögen, das von Natur langsamer ist, bleibt ruhig, bis es von der Luft berührt und in Bewegung gesetzt wird, das Ohr des Geistes aber, der von Gott erfüllt ist, eilt mit äusserster Geschwindigkeit der Rede sogar voraus (Ganz in derselben Weise erklärt Jehuda Halevi im Kusari I § 89 ed. Slucki das Wunder der Offenbarung durch die Annahme einer eigens dafür aus der Luft gebildeten Stimme.).
