24.
Mit diesem Gebot über die Ehrfurcht gegen Eltern schliesst er die eine Reihe von fünf Geboten, die sich mehr auf die Gottheit bezieht. Die andere Reihe, die die Verbote betreffend die Beziehungen zu den Menschen umfasst, beginnt der Gesetzgeber mit dem Verbot des Ehebruchs (Im Dekalog der Septuaginta, der Philo folgt, bildet abweichend vom hebräischen Urtext das Verbot des Ehebruchs das sechste Gebot und das Verbot der Tötung das siebente Gebot. Ob bei dieser Umstellung die Rücksicht auf ägyptische Verhältnisse mitgewirkt hat, ist zweifelhaft.), weil er der Ansicht ist, dass dieser das grösste der Verbrechen ist. Denn erstlich hat er zur Quelle die Wollust, die dem von ihr Ergriffenen den Körper aufreibt, die Spannkraft der Seele löst und das Vermögen zerrüttet: nach Art eines nicht zu löschenden Feuers verzehrt sie alles, was sie erfasst, und lässt nichts unversehrt von allem, was zum menschlichen Leben gehört. Sodann veranlasst er den Ehebrecher nicht bloss allein zu sündigen, sondern auch andere zur Sünde mit zu verleiten und eine Gemeinschaft einzugehen, wo es keine Gemeinschaft geben sollte. Denn sobald einer von heftiger Leidenschaft ergriffen ist, kann unmöglich die Begierde durch einen allein befriedigt werden, es müssen durchaus zwei, von denen der eine die Rolle des Lehrers, der andere die des Jüngers übernimmt, zur Befriedigung zügelloser Wollust, dieses hässlichsten Lasters, sich verbinden. Denn nicht einmal das lässt sich sagen, dass nur der Leib des Ehebruch begehenden Weibes geschändet wird, sondern, wenn man die Wahrheit sagen soll, wird die Seele mehr noch als der Körper an Entfremdung gewöhnt, da sie in jeder Weise belehrt wird, sich von dem Ehemanne abzuwenden, ja ihn zu hassen. Und die Sache wäre weniger schlimm, wenn der Hass sich offenkundig zeigte, denn vor der sichtbaren Gefahr vermag man sich leichter zu schützen; nun aber ist er schwer zu bemerken und schwer zu fassen, da er mit bübischen Künsten verheimlicht wird, manchmal gar noch im Gegenteil den Schein zärtlicher Zuneigung mit mancherlei Täuschung und Betrug zu erwecken sucht. Ferner zerstört der Ehebruch drei Häuser (d. h. das Familienglück dreier Häuser.), das des treulos behandelten Mannes, dem die Ehegelöbnisse verletzt und die Hoffnungen auf rechtmässige Nachkommenschaft zunichte gemacht werden, und zwei andere, das des Ehebrechers und das des Weibes; denn auch über diese beiden wird Schimpf und Schande und die grösste Schmach gebracht. Ist vollends die Verwandtschaft infolge von Heiraten und vielseitigen Verbindungen sehr zahlreich, so wird der Frevel, gleichsam im Kreise herumgehend, gar die ganze Stadt berühren. Sehr schlimm ist dann auch die zweifelhafte Stellung der Kinder; denn wenn die Frau nicht ihre Ehre wahrt, ist es zweifelhaft und unklar, wer in Wahrheit der Vater der Sprösslinge ist. Wenn dann die Sache verborgen bleibt, verfälschen die im Ehebruch erzeugten Kinder, indem sie die Stelle von rechtmässigen sich aneignen, ein fremdes Geschlecht und werden noch ein vermeintlich väterliches Erbe, das ihnen aber in keiner Weise zukommt, empfangen. Und der Ehebrecher, wenn er in frevelhafter Weise seiner Leidenschaft gefrönt und sein Gelüste befriedigt hat, geht dann davon und verlässt die Kinder, die er in Sünde erzeugt hat, und verlacht noch obendrein die Unkenntnis des betrogenen Mannes; dieser aber wird, da er wie ein Blinder nichts von dem weiss, was sich ihm ins Haus geschlichen, die von seinen ärgsten Feinden erzeugten Kinder wie die eigenen aufzuziehen genötigt sein. Wird aber die Sache ruchbar, so werden die armen Kinder, die doch nichts Böses getan haben, tief unglücklich, da sie keinem Geschlecht zugezählt werden können, weder dem des Ehemannes noch dem des Ehebrechers. Da also ungesetzliche Begattung solches Unheil stiftet, ist der Ehebruch, dieses verabscheuenswerte und gottverhasste Verbrechen, mit Recht als erstes der Vergehen gegen Menschen (im Dekalog) verzeichnet worden.
