25.
Das zweite Gebot ist: nicht töten. Denn da die Natur („Die Natur" hier nach stoischer Terminologie für „Gott"; vgl. Über Joseph § 38.) den Menschen, das sanfteste Geschöpf, als ein geselliges und das Zusammensein liebendes Wesen geschaffen, forderte sie ihn zur Eintracht und Brüderlichkeit auf und verlieh ihm die Vernunft, die ihn zu harmonischer Bildung des Charakters führen sollte. Wer also einen Menschen tötet, soll wissen, dass er die Gesetze und Ordnungen der Natur umstösst, die in trefflichster Weise und zum Nutzen für alle gegeben sind. Er soll aber auch wissen, dass er sich des Tempelraubes schuldig macht, weil er das heiligste Besitztum Gottes geplündert hat (So auch der Midrasch: vgl. Beresch. R. c. 34 im Änschluss an 1 Mos. 9,6: „R. Akiba sagte: wer Menschenblut vergiesst, hat gewissermassen die Ebenbildlichkeit Gottes verkürzt“.); denn welches Weihgeschenk wäre achtbarer oder heiliger als der Mensch? Gold, Silber, kostbare Steine und alle anderen wertvollen Stoffe sind doch nur seelenloser Schmuck seelenloser Bauwerke. Der Mensch dagegen, wegen des besseren Teils in ihm, wegen der Seele, das edelste Geschöpf, ist dem reinsten Teile der bestehenden Welt, dem Himmel, ja, wie die meisten sagen, sogar dem Vater der Welt am verwandtesten, da er von allen Geschöpfen auf Erden das eigenste Abbild der ewigen und glückseligsten Idee in seiner Vernunft empfing.
