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ÜBER DIE ZEHN WORTE, DIE DER HAUPTINΒEGRIFF DER GESETZE SIND
Nachdem ich in den früheren Abhandlungen das Leben der nach Moses' Darstellung weisen Männer erzählt habe, die die heilige Schrift als die Ahnen unseres Volkes und gleichsam als Verkörperungen ungeschriebener Gesetze bezeichnet, werde ich im Anschluss daran die allgemeinen Grundzüge der geschriebenen Gesetze näher darlegen, und falls sich darin Anlass zu allegorischer Erklärung zeigen sollte, werde ich auch diese nicht übergehen wegen der auf den tieferen Sinn gerichteten Schriftforschung, die die verborgenen Wahrheiten mehr als die obenauf liegenden zu suchen pflegt. Auf die Frage aber, warum denn Moses die Gesetze nicht in Städten, sondern tief in der Wüste gegeben, habe ich zuerst zu sagen, dass die meisten Städte voll von unzähligen Übeln sind, von Freveln gegen die Gottheit wie von Verbrechen der Menschen gegeneinander. Denn da gibt es nichts, was nicht gefälscht ist, das Unechte überwuchert das Echte, der falsche Schein, der seiner Natur nach trügt und blendende Vorstellungen von den Dingen täuschend vorspiegelt, die Wahrheit. In den Städten entsteht denn auch das schädlichste aller Übel, der Dünkel, den manche bewundern und anbeten, indem sie eitlem Wahne huldigen mit goldenen Kränzen und Prachtgewändern und einer Menge von Dienern und Wagen, auf denen diese sogenannten Glücklichen hoch oben sitzend daherfahren und an die sie bald Maultiere oder Pferde bald auch Menschen selbst vorspannen, die die Sänfte schwer auf dem Nacken tragen, im Geiste noch mehr als am Leibe von dem Übermass schimpflicher Behandlung niedergedrückt.
