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Keiner also, der eine Seele besitzt, möge einem unbeseelten Dinge göttliche Verehrung erweisen, denn es ist geradezu widersinnig, wenn die Geschöpfe der Natur sich göttlicher Verehrung der von Menschenhand verfertigten Gegenstände zuwenden. Die Ägypter aber trifft zu dem allgemeinen Vorwurf gegen jedes Land noch ein ganz besonderer: denn ausser Schnitzbildern und Bildsäulen haben sie gar noch vernunftlose Tiere in die Götterverehrung eingeführt, Stiere, Widder und Ziegenböcke, und von jedem eine Wunderfabel hinzugedichtet. Indessen, die Verehrung dieser Tiere hat vielleicht noch einen Sinn, denn sie sind doch die zahmsten und für das Leben (der Menschen) nützlichsten Tiere. Der Pflugstier reisst Furchen zur Zeit der Aussaat und ist dann wieder das geeignetste Tier zum Dreschen, wenn die Frucht gereinigt werden soll. Der Widder liefert die schönste Schutzhülle, das Gewand; denn unbekleidet ginge der Körper leicht zu Grunde, entweder durch übermässige Hitze oder durch Kälte, in dem einen Falle durch Sonnenbrand, in dem andern durch die empfindliche Abkühlung der Luft. Nun aber gehen sie noch weiter und ehren auch ungezähmte Tiere und unter diesen die wildesten und unbändigsten, wie Löwen und Krokodile und von Kriechtieren die giftige Aspis, mit Tempeln und Hainen, mit Opfern, Festversammlungen, Festaufzügen und ähnlichen Dingen. Beide Gebiete nämlich, Erde und Wasser, die den Menschen von Gott zum Gebrauche gegeben sind, durchsuchten sie nach den wildesten Tieren und fanden unter den Landtieren kein bösartigeres als den Löwen und unter den Wassertieren kein grausameres als das Krokodil; diesen also erweisen sie göttliche Ehren. Und viele andere Tiere, wie Hunde, Katzen, Wölfe, von Geflügeltieren Ibis und Habicht, endlich Fische, entweder ganz oder Teile von ihnen, haben sie vergöttert. Was aber kann lächerlicher sein als dieses? Natürlich müssen Fremde, die zum ersten Male nach Ägypten kommen, solange sie den in diesem Lande heimischen Wahn noch nicht in ihre eigene Seele gepflanzt haben, sich zu Tode lachen; die aber eine rechte Bildung genossen haben, sind entsetzt darüber, dass man so unwürdigen Dingen ernste Verehrung bezeigt, sie beklagen die Menschen, die das tun, und halten sie, wie es sich gehört, für noch elender als die Gegenstände, die sie verehren, in die sie gleichsam ihre Seele haben übergehen lassen, so dass sie gleich Tieren in Menschengestalt umherzugehen scheinen. Deshalb verbannte Gott aus dem heiligen Gesetz jede derartige Vergötterung und forderte zur Verehrung des wahrhaft seienden Gottes auf, nicht weil er für sich Ehre brauchte — denn der sich selbst vollauf Genügende bedurfte eines andern nicht —, sondern weil er das Menschengeschlecht, das sonst leicht auf unwegsamen Pfaden in die Irre geht, auf einen sicheren Weg führen wollte, damit es der Natur folge und dadurch das edelste Ziel erreiche, nämlich die Erkenntnis des wahrhaft Seienden, der da ist das erste und vollkommenste Gut, von dem wie von einer Quelle der Welt und dem, was in ihr ist, das Gute im einzelnen gespendet wird.
