6. Von dem heiligen Hospitius, dem Klausner usw.
Es lebte zu dieser Zeit in der Nähe der Stadt Nizza ein Klausner, mit Namen Hospitius(5), der sich auf das äußerste kasteite. Er wand sich eiserne Ketten um den bloßen Leib und trug sein härenes Kleid darüber. Er aß nichts als trocknes Brot und wenige Datteln. In der Fastenzeit nährte S. 118 er sich von den Wurzeln der ägyptischen Kräuter, wie sie dort die Einsiedler genießen, welche ihm die Kaufleute(1) mitbrachten. Zuerst trank er die Brühe, worin sie eingemacht waren, nachher genoß er sie selbst.
Durch diesen Mann ließ der Herr große Wunder geschehen. So sagte er einst auf Eingebung des heiligen Geistes den Einbruch der Langobarden in Gallien vorher(2) „Die Langobarden", sprach er, „werden nach Gallien kommen und sieben Städte zerstören, weil die Bosheit des Volks groß geworden ist vor dem Angesichte des Herrn, weil niemand dort ist, der ihn erkennt, niemand, der gute Werke tut, seinen Zorn zu besänftigen. Denn dieses ganze Volk ist ungläubig, meineidig, dem Diebstahl ergeben und voll Mordlust, und keine Frucht der Gerechtigkeit gedeiht unter ihm. Man gibt keinen Zehnten, man speist nicht die Armen, man kleidet nicht die Nackten, man nimmt nicht die Fremden gastlich auf und gibt ihnen nicht Speise genug, sich zu sättigen. Deshalb kommt diese Platze über sie. Nun aber sage ich euch: Packet zusammen alle eure Habe und tragt sie in die Mauern der Städte, daß sie nicht in die Hände der Langobarden falle, und bringt euch selbst in eure festen Orte in Sicherheit." Da er so sprach, waren sie alle wie betäubt, schieden von ihm und kehrten voll großer Unruhe nach Hause zurück. Zu seinen Mönchen aber sprach er: „Ziehet auch ihr von dannen und nehmet mit euch, was ihr habt. Denn siehe, es naht das Volk, von dem ich euch sprach." Da sie aber riefen: „Wir lassen dich nicht, heiligster Vater!", sagte er: „Seid ohne Furcht um meinetwillen. Es ist bestimmt, daß sie mich verfolgen werden, aber sie werden mir kein Leid tun bis in den Tod." Da zogen die Mönche fort, und jenes Volk brach S. 119 herein und verwüstete alles, was es fand. Sie kamen aber auch an den Ort, wo der Heilige Gottes als Klausner lebte, und er zeigte sich ihnen durch ein Fenster seines Turms. Da umringten sie den Turm, konnten aber keinen Eingang finden, durch den sie zu ihm gelangten1. Endlich stiegen zwei von ihnen auf das Dach und deckten es ab. Sie sahen ihn nun mit Ketten gebunden in einem härenen Gewand und sprachen: „Es ist ein Übeltäter und er hat einen Mord begangen, deshalb hält man ihn hier in Ketten und Banden." Sie ließen auch einen Dolmetscher kommen und ihn fragen, was er begangen habe, daß er eine solche Strafe erlitte. Er aber sagte, er sei ein Mörder und jedes Verbrechens schuldig. Sofort zog einer sein Schwert und wollte es auf das Haupt des Heiligen schwingen; als er aber ausholte, erstarrte seine Hand, und er konnte sie nicht wieder an seinen Leib bringen. Er ließ das Schwert los und es fiel zur Erde. Als dies seine Gefährten sahen, erhoben sie ein gewaltiges Geschrei und baten den Helligen, er möchte ihnen aus Gnaden sagen was sie nun tun sollten. Er schlug darauf das Zeichen des Heils über den Arm, und der Arm wurde wieder gesund. Jener Langobarde entsagte an demselben Orte der Welt, ließ sich das Haupt scheren und gilt jetzt dort für den frömmsten Mönch. Zwei Anführer, die auf die Worte des Heiligen hörten, kehrten unversehrt in die Heimat zurück; die aber sein Gebot mißachteten, kamen elendiglich dort um. Viele von ihnen wurden auch von bösen Geistern heimgesucht und schrien: „Warum quälst und Peinigst du uns so sehr, heiliger, frommer Mann?" Da legte er ihnen die Hand auf und reinigte sie. —
Danach war ein Mann, der wohnte zu Angers und hatte durch ein heftiges Fieber Sprache und Gehör verloren, und als er vom Fieber genas, blieb er doch taub und stumm. S. 120 Nun wurde aber damals gerade ein Diakon aus jener Gegend nach Rom gesandt, daß er von dort Reliquien der heiligen Apostel oder anderer Schutzheiligen dieser Stadt hole. Und da er zu den Verwandten des Kranken kam, baten sie ihn, er möchte diesen doch auf seiner Reise als Begleiter mitnehmen; denn sie glaubten, wenn er die Gräber der hochheiligen Apostel besuchte, würde er dort sogleich Heilung finden. So reisten sie miteinander und kamen an den Ort, wo der heilige Hospitius wohnte. Als der Diakon ihn begrüßt und geküßt hatte, eröffnte er ihm die Gründe seiner Reise, sagte ihm, er reise nach Rom, und bat ihn um eine Empfehlung an Schiffsherren, die dem heiligen Mann befreundet wärm. Da er aber noch bei ihm weilte, fühlte der Heilige, daß durch den Geist des Herrn die Wunderkraft über ihn komme, und sagte zu dem Diakon: „Ich bitte dich, bringe vor mein Angesicht jenen Kranken, der dich auf deiner Reise begleitet." Und ohne Verzug lief dieser schnell nach der Herberge und fand dm Kranken in vollem Fieber. Durch Zeichen gab er ihm jedoch zu verstehen, es klänge ihm in den Ohren. Jmer nahm ihn bei der Hand und führte ihn zu dem Heiligen Gottes. Da ergriff dieser mit der Hand das Haar des Kranken, zog den Kopf in das Fenster hinein2 nahm geweihtes Ol und goß, indem er mit der Linken ihm die Zunge hielt, es ihm in den Mund und auf dm Scheitel mit den Wortm: „Im Namen meines Herrn Jesus Christus, deine Ohrm sollen geöffnet werden, und deinen Mund erschließe jene Macht, die einst den bösen Geist aus dem Taubstummen verjagt hat." Darauf fragte er ihn nach seinem Namen. Jmer aber sprach mit lauter Stimme: „So und so heiße ich3." Als der S. 121 Diakon solches sah, sprach er: „Unendlichen Dank sage ich dir, Jesus Christus, der du durch deinen Knecht gnädig solche Dinge tust. Ich suchte Petrus, ich suchte Paulus, Laurentius und die ändern Heiligen, welche Rom mit ihrem Blute verherrlichten; hier habe ich sie alle gefunden, sie alle gesehen." Da er solches unter vielen Tränen und großer Bewegung sprach, sagte der Mann Gottes, der mit aller Kraft seiner Seele jeden eitlen Ruhm mied: „Schweige, teuerster Bruder, denn nicht ich tue dies, sondern der die Welt aus dem Nichts erschaffen hat, der für uns Mensch wurde und den Blinden das Gesicht, den Tauben das Gehör, den Stummen die Rede gibt, der den Aussätzigen wieder ihre reine Haut, den Toten das Leben und allen Kranken Arznei in Fülle verleiht." Da nahm der Diakon seinen Abschied von ihm und zog fort mit seinen Begleitern. —
Als sie fort waren, kam ein Mann, mit Namen Dominicus, der von Mutterleib an blind war, um die Wahrheit jenes Wunders zu erproben. Und nachdem er zwei bis drei Monate im Kloster sich aufgehalten und dem Beten und Fasten obgelegen hatte, rief ihn endlich der Mann Gottes zu sich und sprach: „Willst du wieder sehend werden?" Jener antwortete: „Mein Wunsch war, kennen zu lernen, was ich nicht kenne, denn ich weiß nicht, was das Licht ist. Nur das eine weiß ich, daß die Menschen es rühmen. Ich aber habe von Anbeginn meines Lebens an bis jetzt nicht die Gnade gehabt zu sehen." Da schlug der Heilige mit dem geweihten Ol über seine Augen das heilige Kreuz und sprach: „Im Namen Jesus Christus, unsres Heilands, deine Augen sollm geöffnet werden." Und sogleich erschlossen sich seine Augen, und er sah und bewunderte die großen Werke Gottes, die er in dieser Welt nun erblickte. —
Darnach wurde ein Weib zu ihm geführt, welche, wie sie S. 122 selbst sagte, drei böse Geister plagten. Ms er sie aber gesegnet hatte mit der heiligen Berührung seiner Hand und mit dem heiligen Ol das Kreuz über ihre Stirn geschlagen hatte, da fuhren die bösen Geister aus, und sie ging gereinigt von dannen. Auch ein Mädchen, das von einem unreinen Geist besessen war, heilte er durch seinen Segen. —
Als der Tag seines Endes sich nahte, rief er den Prior4 seines Klosters zu sich und sprach: „Bringe ein Brecheisen, durchbrich diese Mauer und sende Boten zum Bischof der Stadt, daß er komme zu meiner Bestattung. Denn am dritten Tage verlasse ich diese Welt und gehe zu der mir bereiteten Ruhestätte ein, welche mir der Herr verheißen hat." Als er dies sagte, schickte der Prior des Klosters Leute zu dem Bischof von Nizza, die es chm meldeten. Ein gewisser Crescens trat aber an das Fenster des Turms und sah ihn mit Ketten umwunden und mit Würmern bedeckt daliegen. „O mein Gebieter," sagte er, „wie kannst du so heftige Schmerzen so mannhaft ertragen?" „Es stärkt mich," antwortete er, „der, um dessen Namens willen ich solches leide. Ich sage dir aber, daß ich nun befreit werde von diesen Banden und eingehe in meine Ruhe." Als der dritte Tag kam, legte er die Ketten ab, mit denen er gebunden war, warf sich zum Gebet nieder, und als er lange und unter Tränen gebetet hatte, legte er sich auf eine Bank, streckte die Füße aus, hob die Hände zum Himmel und gab unter Danksagungen Gott seine Seele zurück5. Und sogleich verschwanden alle jene Würmer, welche an den Gebeinen des Heiligen nagtm. Als aber der Bischof Austadius kam, ließ er den Leichnam des Heiligen mit allem Fleiße bestatten.
S. 123 Dies alles habe ich aus dem Munde desselbigen Mannes erfahren, von dem ich oben erzählte, daß er, da er taubstumm war, von dem Heiligen geheilt wurde. Er erzählte mir noch vieles andere von seinen Wundern, aber ich wollte nicht davon reden, weil ich vernommen habe, daß das Leben des Hospitius von vielen bereits beschrieben ist(1).
Weil die Türe vermauert war; vgl. die Schilderung am Schluß von Kap. 29. ↩
Weil der Heilige in dem Turm eingemauert ist; vgl. S. 119. ↩
Den Namen scheint Gregor absichtlich -u verschweigen, unbekannt war er ihm gewiß nicht. Siehe das Ende des Kapitels. ↩
Er führt noch den Titel prnevoÄtu» und erscheint alr Helfer und Stellvertreter deAbteS in der Klosterverwaltung. ↩
Uber den Todestag Acta SS. Maii V, 40. ↩
