32. Vom Ende des Leudast
Wenige Monate zuvor war Leudast(2) in das Gebiet von Tours mit einem Befehl des Königs gekommen, man solle S. 157 ihm sein Weib zurückgeben und er sich dort aufhalten dürfen. Er überbrachte mir auch ein von den Bischöfen unterzeichnetes Schreiben, worin ich aufgefordert wurde, ihn in die Kirchengemeinschaft wieder aufzunehmen. Ta ich aber kein Schreiben von der Königin sah, um derentwillen er doch besonders ausgeschlossen war, trug ich Bedenken, ihn wieder aufzunehmen, und sprach: „Wenn ich eine Weisung von der Königin erhalte, dann werde ich nicht anstehen, ihn sogleich wieder aufzunehmen(1)." Ich sandte deshalb Botschaft an sie, und sie antwortete mir mit einem Brief, in dem es hieß: „Da ich von vielen Seiten gedrängt wurde, konnte ich nicht umhin, ihm zu erlauben, daß er zurückkehre. Jetzt aber bitte ich dich, nimm ihn nicht eher in die Kirche auf und reiche ihm nicht eher aus deiner Hand das geweihte Brot(2), als bis wir reiflicher erwogen haben, was nun zu tun ist." Als ich dieses Schreiben las, fürchtete ich, man möchte ihm nach dem Leben trachten. Ich ließ deshalb seinen Schwäher rufen, unterrichtete ihn von allem und beschwor ihn, Leudast möchte auf seiner Hut sein, bis die Königin sich besänftigt hätte. Aber jener hielt meinen Rat, den ich ihm um Gottes willen in der besten Absicht erteilt hatte, für einen Fallstrick, da er noch mein Feind war, und wollte nicht tun, was ich ihm sagen ließ. So wurde das Sprichwort wahr, das ich einst einen alten Mann sagen hörte: „Gib immer guten Rat, an Freund und Feind; der Freund nimmt gern ihn an, der Feind verschmäht ihn doch." Er verschmähte also meinen Rat und begab sich zum Könige, der damals mit seinem Heere bei Melun stand, und bat das Heer, bei dem Könige Fürbitte S. 158 für ihn einzulegen, daß er ihm wieder vor die Augen kommen dürfe. Da nun das ganze Heer für ihn bat, gewährte es ihm der König, daß er vor ihm erscheinen durfte. Da warf Leudast sich dem König zu Füßen und bat um Gnade. Der König aber sprach zu ihm: „Sei kurze Zeit auf deiner Hut, bis ich die Königin gesehen und Wege gefunden habe, dir ihre Gunst wieder zu gewinnen, denn du hast viel gegen sie verschuldet." Wie er aber immer unvorsichtig und leichtfertig war, verließ er sich auch darauf, daß er beim König wieder zugelassen war, warf sich nach der Rückkehr des Königs nach Paris eines Sonntags an geweihter Stelle in der Kirche der Königin zu Füßen und bat sie um Gnade. Da stieß sie, wutknirschend und seinen Anblick verwünschend, ihn von sich, und unter Tränen rief sie aus: „Von meinen Kindern lebt keines, das meiner und meiner Schmach sich annehme: in deine Hände, Herr Jesus, lege ich meine Sache!" Darauf warf sie sich dem König zu Füßen und fuhr fort: „Wehe mir, die ich meinen Feind vor mir sehen muß, und habe keine Macht gegen ihn." Leudast wurde von dem geweihten Ort fortgewiesen und die Meßfeier gehalten. Als aber der König und die Königin aus der Kirche heraustraten, folgte ihnen Leudast bis auf die Straße, noch nicht ahnend, was ihm bevorstände. Er ging die Häuser der Kaufleute ab, suchte nach wertvollen Waren, ließ Silber wägen, besah verschiedene Schmucksachen und sprach: „Ties und das will ich kaufen, denn ich habe noch viel Gold und Silber liegen." Indem er noch so sprach, erschienen plötzlich die Diener der Königin und wollten ihn in Ketten legen. Er aber zog das Schwert und traf den einen. Die ändern voll Wut hierüber griffen nach Schild und Schwert und stürzten sich auf ihn. Einer von ihnen holte aus und hieb chm die Haare mit der Haut von dem größten Teile des Kopfes herunter. Da er aber seine Flucht über eine Brücke in der S. 159 Stadt nahm, glitt sein Fuß zwischen zwei Bohlen aus, welche die Brücke bildeten, und er brach sich das Bein. So wurde er gefangen, die Hände ihm auf den Rücken gebunden und er in den Kerker gebracht. Der König befahl, daß die Ärzte sich seiner annehmsn sollten, damit er, von diesen Wunden hergestellt, langsam zu Tode gemartert werden könne. Als er aber nach einem königlichen Hofe gebracht war, fingen seine Wunden an zu eitern, und es ging mit ihm zu Ende. Da ließ die Königin ihn rücklings auf die Erde strecken, und nachdem ihm ein großer Balken unter den Nacken gelegt war, schlug man chm von der anderen Seite auf die Gurgel. So endete er ein ewig ungetreues Leben auf die gebührende Weise.
