21. Von der Flucht und Gefangenschaft des Eberulf
Danach, als König Gunthramn nach Chalon zurückkehrte und eine Untersuchung über den Tod seines Bruders einzuleiten anfing, wälzte die Königin die Schuld auf den Oberkämmerer Eberulf. Sie hatte diesen nämlich gebeten, nach dem Tode des Königs bei ihr zu bleiben, dies aber nicht erreicht. Da nun deshalb Feindschaft zwischen ihnen entstand, behauptete die Königin, von ihm sei der Fürst ermordet worden, er habe von dessen Schätzen vieles geraubt und sich damit in das Gebiet von Tours begeben; wenn also der König den Mord seines Bruders rächen wolle, solle er wissen, daß jener Mann der Rädelsführer bei dieser Sache gewesen sei(1). Da schwur der König vor allen seinen Großen, daß er nicht nur ihn, sondern auch seine Nachkommenschaft bis in das neunte Glied ausrotten würde, auf daß durch ihren Tod dieser verruchten Sitte ein Ende gemacht würde und die Könige fortan nicht mehr dem Morde ausgesetzt seien. Als dies Eberulf vernahm, flüchtete er sich in die Kirche des heiligen Martinus, dessen Eigentum er oft vorher beraubt hatte. Da es nun erforderlich schien, ihn hier zu bewachen, ergriffen die von Orleans und die von Blois die günstige Gelegenheit und bezogen abwechselnd die Wache; nach fünfzehn Tagen kehrten sie dann mit vieler Beute zurück, indem sie Zugvieh, Schafe und alles sonst mit sich nahmen, was sie fortbringen konnten. Diejenigen aber, welche dem heiligen Martinus sein Vieh sortgetrieben hatten, gerieten unter sich selbst in Händel und erstachen einander mit ihren Speeren. Zwei, welche ihm Maul- S. 211 tiere fortgenommen hatten, kamen zu dem Hause eines Mannes in der Nachbarschaft und verlangten von ihm einen Trunk, und da er sagte, er habe nichts zu trinken, erhoben sie ihre Speere, um ihn zu durchbohren. Er aber zog sein Schwert und traf sie beide so, daß sie Hinsielen und starben. Die Tiere wurden darauf dem heiligen Martinus zurückgegeben. So viele Greuel verübten damals die von Orleans, daß es unmöglich ist, sie alle zu erzählen.
