65. Brief oder Bitte von allen Comprovincialbischöfen der Metropole von Arles an den hl. Papst Leo gerichtet.1
Einleitung
Wir erfuhren aus dem 10. Briefe Leo's an die Bischöfe der viennensischen Provinz, dass Leo den Missbrauch des Hilarius von Arles mit seiner Metropolitangewalt dadurch bestrafte, dass er diesem alle Rechte eines Metropoliten nahm und auf den Bischof von Vienne2 übertrug. Diese Verfügung des Papstes jedoch sollte keine bleibende, den Bischofsstuhl von Arles selbst treffende sein, sie war nur eine Strafe für die Person des Hilarins. Dass Hilarius und die übrigen Bischöfe Galliens diese Anordnungen des Papstes beobachteten, ist aus der trotz jener Übergriffe anerkannten Heiligkeit des Hilarius selbst, aus der kaiserlichen Bestätigung und Einschärfung des päpstlichen Ausspruches und endlich aus den Worten der Bischöfe in c. 1 unseres Briefes ganz sicher. Wir lernten aber aus den Briefen 40-42 auch schon den Nachfolger des Hilarius, den Ravennius, kennen und sahen, dass der Papst die Wahl desselben sowohl wegen der Persönlichkeit des Erwählten selbst wie auch wegen der Übereinstimmung aller Wähler bestätigte und lobte (im 40. Briefe), wie er jedoch (im 41. Briefe) den Ravennius, sicherlich in Erinnerung der Machtgelüste des Hilarius, zur Bescheidenheit, Mäßigung, zur Einhaltung der vom Gesetze seiner Macht gezogenen Schranken ermahnte. Nicht lange aber saß Ravennius auf dem bischöflichen Stuhle von Arles, als aus Anlaß eines speziellen S. 324 Falles zwischen ihm und dem Bischofe von Vienne der alte Streit bezüglich der Metropolitangewalt und ihrer Territorialgrenzen sich erneuerte. Ravennius hatte nämlich an die Stelle des verstorbenen Bischofs Auspicius von Vaison einen Nachfolger geweiht. Hierüber beklagte sich der Bischof von Vienne durch Gesandte in Rom; wie aus der Antwort des Papstes (im 66. Briefe) zu entnehmen, berief sich dieser nebst der Würde der Stadt Vienne auch auf die ihm von Leo selbst zuerkannten Privilegien und insbesondere auf das ihm zugewiesene Ordinationsrecht. Bald nachdem die Gesandten des Bischofs von Vienne in Rom angekommen waren, erschienen auch Deputierte derjenigen Bischöfe aus der Provinz von Arles, welche dem Ravennius zugetan waren, und überreichten die Bitte derselben, der Papst möge die dem Hilarius entzogenen Privilegien dem Ravennius restituieren; sie fanden sich zu diesem Ansuchen durch das schmeichelhafte und verbindliche Schreiben des Papstes bezüglich der Wahl des Ravennius aufgemuntert. - Da unserem Schreiben kein Datum beigefügt ist, so lässt sich die Abfassungszeit desselben nur beiläufig aus dem Datum der hierauf erfolgten Antwort des Papstes angeben; diese aber ist vom 5. Mai 450 datiert, und da sich Leo im 67. Briefe an Ravennius darüber entschuldigt, dass er die Deputation, den Priester Patronius und den Diakon Regulus, „lange“ bei sich zurückgehalten habe, so lässt sich nur sagen, dass unser Brief „lange“ vor dem 5. Mai 450 geschrieben sei. Quesnell aber hat die Bedenken des Sirmond und Launod bezüglich der Echteit unseres Schreibens ausführlich gewürdigt und widerlegt.3
Inhalt
*1. Nachdem sie einiges über die Wahl und die Sitten des Ravennius vorausgeschickt, bitten S. 325 sie, dass die alten Privilegien der arelatensischen Kirche von Leo wiederhergestellt werden mögen.
2. Sie bekräftigen dieselben aus verschiedenen Vorzügen dieser Kirche und besonders aus der Ankunft des hl. Trophimus in Gallien.
3. Sie erwähnen die den Arelatensern von den Kaisern verliehenen bürgerlichen Rechte und Privilegien.
4. Sie schmeicheln Leo durch verschiedene Verbindlichkeiten.*
